Prague Royal Philharmonic Orchestra
25. April 2025

Prague Royal Philharmonic Orchestra

18.45 Uhr Konzerteinführung im Saal Bodensee
19.30 Uhr Großer Saal

Das gesamte Jahresprogramm 2024/2025 können Sie hier digital ansehen.

Antonín Dvořák (1841 – 1904)
Konzert für Violoncello und Orchester in h-Moll, op. 104

Leoš Janáček (1854 – 1928)
Balada Blanická

Bedřich Smetana (1824 – 1884)
„Die Moldau“ aus dem Zyklus „Mein Vaterland“

Antonín Dvořák (1841 – 1904)
Scherzo Capriccioso, op. 66

 

Antonín Dvořák

Am 8.9.1841 in einem Dorf als Sohn eines Metzgers und Gastwirts geboren, arbeitete Antonín Dvořák zunächst im väterlichen Betrieb, bevor er seinen musikalischen Neigungen nachgehen und die Prager Orgelschule besuchen konnte. In den 1860er Jahren trat er erstmals mit eigenen Kompositionen in Erscheinung, doch erst die Slawischen Rhapsodien, die Klänge aus Mähren op. 29 und die Slawischen Tänze aus den Jahren 1876–78 machten ihn bekannt und hielten Einzug in die europäischen Konzertsäle. Ein bekannter Kritiker seiner Zeit betonte die „himmlische Natürlichkeit“, die durch die „Slawischen Tänze“ flutet und meinte: „Ich denke es mir wonnig, wenn wieder einmal ein Musiker käme, über den man sich ebenso wenig zu streiten brauchte wie über den Frühling“ – in Dvořák hatte er ihn gefunden.

Nach großen Erfolgen in Europa mit den „Slawischen Tänzen“ und vor allem im oratorienbegeisterten England (mit dem „Stabat mater“) wurde der Komponist für einige Zeit Direktor des Prager Konservatoriums und ging dann in entsprechender Funktion in den Jahren 1892-95 nach New York. Weltruhm verschafften ihm die berühmte 9. Symphonie „Aus der Neuen Welt“ op. 95 und das „Amerikanische Streichquartett“ op. 96, die bis heute die am meisten im Konzertsaal gespielten Werke geblieben sind. Auch das Konzert für Violoncello und Orchester in h-Moll op. 104 hängt mit Amerika zusammen: es ist das letzte Werk, das dort entstanden ist, spiegelt jedoch in zahlreichen Anklängen die überwältigende Sehnsucht des Komponisten nach seiner Heimat. Nach drei Jahren in New York fühlte er sich dort nicht mehr wohl, viele Briefe erzählen von Heimweh, und nach einer offiziell als Sommerurlaub geplanten Heimreise kehrte Dvořák nicht mehr in die USA zurück. Im Cellokonzert fällt gleich zu Beginn im Orchester die starke Beteiligung der Holz- und Blechbläser auf, sie tragen das Hauptthema vor und machen den Klang rund und voll. Kraftvoll setzt der Solist mit weiträumigen Passagen ein, nimmt sich dann zurück und stimmt das lyrische Seitenthema an. Von außergewöhnlicher Ausdruckstiefe, die über die typische „slawische Melancholie“ weit hinausgeht, ist der langsame Satz. In ihm gedenkt Dvořák mit dem Zitat eines eigenen Liedes „Lasst mich allein in meinen Träumen gehen“ seiner Jugendliebe und späteren Schwägerin Josefine Kounicová, die zum Zeitpunkt der Komposition schwer erkrankt und schließlich gestorben war. Es scheint ein verzweifeltes, leidenschaftliches Ringen widerzuspiegeln. Josefine zu Ehren veränderte der Komponist auch den Schluss des Konzerts: An Stelle der üblichen virtuosen Solokadenz lässt er nochmals das Lied anklingen, das eine wichtige Rolle in der Beziehung der beiden gespielt hatte, verbindet es in einem wehmütigen Epilog mit anderen Episoden und Themen des Konzerts, bevor sich das Soloinstrument zu einer mitreißenden Schlussstretta aufschwingt.

Das Scherzo capriccioso von Antonín Dvořák, komponiert im Jahr 1883 und uraufgeführt unter Adolf Čech, markiert eine Phase, in der der Komponist einen dramatischeren und dunkleren Stil erkundete. Dies steht im Kontrast zu seiner früheren „slawischen Periode“, die für ihre leichte und volkstümliche Natur bekannt war. Das Werk zeigt eine komplexe Struktur mit durchdachten kontrapunktischen Elementen und ungewöhnlichen Orchesterfarben, darunter markante Verwendungen von Englischhorn und Bassklarinette. Es gehört zu einer Gruppe von Werken aus dieser Zeit, darunter das dritte Klaviertrio, die Hussiten-Ouvertüre, die Ballade in d-Moll und die siebte Sinfonie, die alle Dvořáks künstlerische Entwicklung widerspiegeln.

Leoš Janáček

Leoš Janáček wurde 1854 als neuntes von vierzehn Kindern in der damals zum Kaisertum Österreich gehörenden Markgrafschaft Mähren geboren. Sein Leben und Schaffen waren von einer Vielzahl von Einflüssen geprägt, darunter persönliche Verluste, intensive Beobachtungen der Natur und eine tiefe Verwurzelung in der tschechischen Musiktradition. Janáčeks Einfluss auf die Musikliteratur ist bedeutend und weitreichend. Durch seine innovativen musikalischen Ansätze und seine intensive Auseinandersetzung mit der menschlichen Sprache hat er neue Wege in der musikalischen Komposition erschlossen. Sein Stil, oft als „Sprachmelodie“ beschrieben, brach mit den traditionellen Konventionen der Opernkomposition und führte zu einer Erneuerung des Musiktheaters.

Janáčeks Meisterwerke wie „Jenůfa“, „Die Sache Makropulos“ und „Katja Kabanowa“ zeichnen sich durch ihre expressive Kraft, ihre emotionalen Tiefen und ihre intensive Verbindung zur menschlichen Erfahrung aus. Seine Musik ist geprägt von einer Vielzahl von Emotionen und Facetten des menschlichen Lebens, von Liebe und Leidenschaft bis hin zu Verlust und Sehnsucht. Janáčeks Werke haben das Musiktheater nachhaltig beeinflusst und sind bis heute fester Bestandteil des Opernrepertoires auf der ganzen Welt. Seine einzigartige musikalische Sprache und sein künstlerisches Erbe haben zahlreiche Komponisten nach ihm inspiriert und beeinflusst.

Leos Janáčeks „Balada Blanická“ ist ein selten aufgeführtes, aber aussagekräftiges Orchesterwerk, das eine reiche musikalische Darstellung der tschechischen Legende um den Berg Blaník beinhaltet. Das Werk charakterisiert sich durch eine melodische Dichte und eine strukturelle Komplexität, die typisch für Janáčeks späte Phase sind. Die „Balada Blanická“, komponiert im Jahre 1920, zeichnet sich durch ihren dramatischen Aufbau und die Verwendung von Motiven aus, die sowohl mythologische Aspekte als auch tief verwurzelte nationale Identität symbolisieren.

Thematisch greift Janáček auf die Erzählung zurück, in der die Ritter von Blaník warten, um in der Stunde der größten Not ihres Landes hervorzutreten. Diese narrative Grundlage verleiht dem Werk eine pathetische Tiefe und eine klangliche Dramatik, die typisch für die Musik Janáčeks ist, die stets eine tiefgründige emotionale und narrative Schicht enthält. In der „Balada Blanická“ manifestiert sich dies in einer Musiksprache, die sowohl idiomatisch als auch innovativ ist und die tschechische Seele in Tönen ausdrückt.

Zusammengefasst ist „Balada Blanická“ ein beeindruckendes Beispiel für Janáčeks Fähigkeit, kulturelle Erzählungen in ein eindrucksvolles symphonisches Gewand zu kleiden, das sowohl die nationalen Hoffnungen als auch die tiefe Verbundenheit mit der tschechischen Kultur klanglich widerspiegelt.

Sein Engagement für die tschechische Kultur und sein Beitrag zur Musikgeschichte machen ihn zu einem der bedeutendsten Komponisten des 20. Jahrhunderts. Seine Werke werden weltweit aufgeführt und geschätzt, und sein Einfluss auf die Musik ist unbestreitbar.

Friedrich (Bedřich) Smetana

Am 2. März 2024 feierte die Musikwelt den 200. Geburtstag von Friedrich (Bedřich) Smetana, der als Wegbereiter der tschechischen Musikkultur gilt, bei uns aber in erster Linie als Schöpfer der Oper „Die verkaufte Braut“ und der Tondichtung „Die Moldau“ bekannt ist. Im heutigen Konzert erklingen neben der schwungvollen Opern-Ouvertüre und der „Moldau“ immerhin zwei weitere Teile aus dem Zyklus „Mein Vaterland“. Smetana entstammte der großbürgerlichen Familie eines Bierbrauers, wurde früh musikalisch gefördert und wandte sich zunächst der Geige und dem Klavier zu. Nichts weniger als „ein Liszt in der Technik und ein Mozart im Komponieren“ wollte er werden, Franz Liszt wurde auch einer seiner großen Förderer. Nachdem er in Prag eine eigene Musikschule gegründet hatte, wirkte er von 1856 bis 1861 als Pianist und Dirigent in Göteborg, wo er auch die ersten Versuche mit sinfonischer Programmmusik unternahm. Es entstanden zwei Tondichtungen mit literarischem Sujet, nämlich „Richard III.“ und „Hakon Jarl“, die sich auch formal an die Tondichtungen Franz Liszts anlehnten. Bereits in der Tondichtung „Wallensteins Lager“ op. 14 fallen jedoch nationale Färbungen mit Polka- und Marsch-Anklängen auf. Zurück in der Heimat geriet Smetana in die Kämpfe zwischen konservativen „Alt-Tschechen“ und fortschrittlichen „Jung-Tschechen“, zu denen er sich als Anhänger von Liszt und Wagner zählte. 1866 wurde er zum Dirigenten des wenige Jahre zuvor eröffneten Nationaltheaters ernannt. Trotz seiner großen Erfolge als Opernkomponist und als Dirigent der philharmonischen Konzerte musste Smetana als Wagneranhänger zahlreiche Angriffe und Intrigen wegen seiner „Ausländerei“ über sich ergehen lassen, die letztlich auch seine Gesundheit schädigten. Im Sommer 1874 begannen Hör- und Gleichgewichtsstörungen (der hohe Ton, der ihn plötzlich peinigte, ist in das Finale des ersten Streichquartetts „Aus meinem Leben“ eingegangen), sodass er die Leitung des Theaters abgeben musste. Wenige Wochen später ertaubte er während der Arbeit an der „Moldau“ von einem Tag auf den anderen. In den ihm noch verbleibenden 10 Jahren, die von Krankheit und Heilungsversuchen geprägt waren, schuf Smetana vier weitere Opern, die beiden Streichquartette und die restlichen Teile des Zyklus’ „Mein Vaterland“. Am 12. Mai 1884 starb der Schöpfer der nationalen tschechischen Musik in geistiger Umnachtung in Prag.

Mit seinem sechsteiligen Zyklus „Mein Vaterland“ („Ma vlast“) schuf Smetana ein Werk, dessen Inhalt die Sagen, Märchen und Landschaftsszenarien Böhmens in einzigartiger Weise widerspiegelt. Pläne für einen Zyklus nationaler Tondichtungen entstanden im Zusammenhang mit der Arbeit an der Oper „Libuše“ (1872), einer Oper, die das tschechische Volk und Land verherrlicht. „Ma Vlast“ führt das Thema der Oper also auf anderer Ebene fort. Erste Ideen, den Lauf der Moldau musikalisch nachzubilden, reichen vermutlich in das Jahr 1867 zurück, als Smetana die beiden Quellen des Flusses im Böhmerwald besuchte. Drei Jahre später vermerkt der Komponist in seinem Tagebuch einen Ausflug zu den St.-Johann-Stromschnellen. Schließlich entstand 1874, zeitgleich mit „Vyšehrad“, dem ersten Teil des Zyklus’, die Tondichtung Vltava – Die Moldau, die den Verlauf des Flusses von den Quellen bis zur Mündung in die Elbe nachzeichnet. Smetana führt uns nicht nur die Bewegung des Wassers an sich vor, sondern hält auch Begebenheiten am Rande des Flusslaufs fest. Neben Smetanas eigener Beschreibung gibt vor allem der Text von Vaclav Zeleny einen stimmungsvollen Einblick in die Komposition, deren Abschnitte deutlich voneinander unterschieden sind: „Zwei Quellbächlein, das eine warm und lebhaft, das andere kühl und ernst, entspringen im Schatten des Böhmerwaldes; sie plätschern munter im Gestein und glitzern in der Sonne. Ihre Wellen vereinigen sich, der Waldbach wird zum Fluss. Auf seiner Wanderung durch Böhmen nimmt er mehr an Größe zu, schlingt sich, geheimnisvoll rauschend, als Moldau durch dunkle Kiefernwälder, aus denen das muntere Treiben einer Jagd hallt, durchfließt liebliche Auen, saftige Fluren und fruchtbare Ebenen. An ihren Ufern feiert das Landvolk mit fröhlichen Weisen und heimischem Tanz eine Dorfhochzeit. Die Nacht senkt sich zur Erde, der Hochzeitsjubel verstummt, ge-heimnisvolle Stille liegt über dem Land. Bei fahlem Mondschein beleben nun Nymphen und Nixen die Ufer und schwingen über den silberglänzenden Wellen ihren Reigen, während als Zeugen vergangener Herrlichkeit ernst und stumm Burgen und Schlösser auf den Hängen ragen als Mahnmale vergangener Größe und Glorie. Von Felsen eingeengt, stürzen mit donnerndem Getöse schäumend die Wasser durchs Tal und bilden tückische Wirbel. Nach den Sankt-Johannes-Stromschnellen, auf deren Klippen die sich wild aufbäumenden Fluten zu Gischt zerstäuben, fließt die Moldau in majestätischer Ruhe gegen Prag, wo sie der altehrwürdige Vyšehrad, von hohem Felsen niederblickend, grüßt. In mächtiger Breite rauscht der ewige Strom vorüber, bis er in unabsehbare Fernen entschwindet.“

Die acht Abschnitte, die sich aus diesem literarischen Programm ergeben, sind auch mit Zwischentiteln in der Partitur verzeichnet:

  1. Die erste Quelle der Moldau: aufsteigende Flöten – die zweite Quelle: absteigende Klarinettenfiguren
  2. Moldau-Thema, der Fluss wird breiter, das Orchester gewinnt an Kraft
  3. Durch den Wald schallen die Hörner und Trompeten einer Jagdgesellschaft
  4. Am Ufer findet eine Bauernhochzeit statt: Takt- und Tonartwechsel, Polkarhythmus
  5. Mondschein, Nymphenreigen: Hohe, flirrende Streicherklänge, dazu die Flötenfiguren des fließenden Wassers und Klarinetten wie Vogelrufe; Steigerung, Übergang in
  6. Moldau-Thema mit vollem Orchester
  7. St. Johannes- Stromschnellen, Gefahr, Auflösung, Unruhe
  8. Coda: die Moldau strömt breit dahin.

Beschleunigung, großes Orchester, choralartiges Motiv aus Vyšehrad, jubelnde Steigerung, Zusammenfassung, schließlich entschwindet der Fluss in der Ferne.

Durch die Verknüpfung der Motive und die formale Gestaltung schafft Smetana eine kompositorische Einheit, die immer wieder bezaubert. Die Uraufführung am 4. April 1875 war für den so tragisch plötzlich ertaubten Komponisten ein Triumph sondergleichen. Man feierte, wieder nach den Worten von Vaclav V. Zeleny, „die größte dichterische Schöpfung Smetanas, die stolzeste Huldigung, die je ein kunstschöpferischer Geist seinem Publikum dargebracht hat.“

Mit Šárka ist der dritte Teil des Zyklus’ „Ma Vlast“ überschrieben, der eine tschechische „Variante“ des Penthesilea-Stoffes in Töne setzt. Das beigefügte literarische Programm erhellt wiederum die aufgewühlte Stimmung der Komposition, in der Smetana nicht nur die Verzweiflung der Titelheldin, sondern auch seine eigene Verzweiflung (über den Verfall seiner Gesundheit) widerzuspiegeln scheint: „In dieser Komposition ist nicht die Gegend festgehalten, sondern die Handlung, die Sage von der Maid Šárka, die in leidenschaftlichem Zorn über die Untreue des Geliebten dem ganzen männlichen Geschlecht bittere Rache schwört. Aus der Ferne dringt Waffenlärm. Ctirad ist mit seinen Knappen im Anmarsch, um die streitbaren Mädchen zu bezwingen und zu bestrafen. Er vernimmt schon von weitem das (nur listig vorgetäuschte) Klagen einer Maid, erblickt Šárka an einen Baum gebunden und ist von ihrer Schönheit bezaubert. Er entbrennt in heißer Leidenschaft zu ihr und befreit sie. Šárka versetzt mit einem bereitgehaltenen Trunke Ctirad und seine Knappen in Rausch und zuletzt in tiefen Schlaf. Auf ein gegebenes Hornsignal, das die Gefährtinnen Šárkas in der Ferne erwidern, stürzen diese aus dem Wald und richten ein Blutbad an. Ein schauerliches Gemetzel, blindes Wüten der ihre Rache stillenden Šárka beschließt die Dichtung.“

Dieser heldischen Dramatik setzt Smetana mit „Aus Böhmens Hain und Flur“ eine versöhnliche, melodisch fließende, von Volkstänzen und Liedern geprägte Naturstudie entgegen: „Dieses symphonische Gedicht malt in weiten Zügen die Gedanken und Gefühle, die uns beim Anblick der böhmischen Landschaft erfassen. Aus dem weiten Umkreis dringt inniger Gesang zu unseren Ohren, alle Haine und die ganze blühende Flur singen ihre Weisen, fröhliche und melancholische. Sie alle kommen zu Worte, die tiefen, dunklen Wälder – in den Hörnern – und die sonnigen, fruchtbaren Tiefebenen der Elbe und andere Teile des reichen, schönen Landes Böhmen.“ So nehmen uns die Musikerinnen und Musiker aus Prag mit auf eine klingende Reise in ihre Heimat.

 

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