Programm

Herzlich willkommen

Kraftvoll, von interpretatorischer Tiefe und stilistischer Raffinesse geprägt – so entfalten sich die sechs Bregenzer Meisterkonzerte der Saison 2025/2026 im Festspielhaus Bregenz. Jedes Konzert trägt eine unverwechselbare Handschrift.

Beethovens Sinfonie Nr. 3, die „Eroica“, und Cherubinis „Requiem“ in c-Moll stehen sich im Charakter gegenüber und bilden gemeinsam einen eindrucksvollen Auftakt. Unter der Leitung von Philippe Herreweghe bringen das Orchestre des Champs-Élysées und das Collegium Vocale Gent diese Werke in historisch informierter Aufführungspraxis zum Klingen – vereint in zeitloser, sensibler und kraftvoller Ausdruckskraft.

Das zweite Meisterkonzert im Dezember ehrt Arvo Pärt mit seinem meditativen „Cantus in Memoriam Benjamin Britten“. Ergänzt wird das Programm durch Sibelius’ Violinkonzert in d-Moll – lyrisch und virtuos. Es spielt das Estonian National Symphony Orchestra unter Olari Elts, Solistin ist Simone Lamsma.

Mit dem international gefeierten Violinisten Augustin Hadelich beginnt das neue Jahr. Das dritte Meisterkonzert eröffnet Wagner mit „Isoldes Liebestod“, einem Inbegriff romantischer Transzendenz. Im Zentrum steht Prokofjews Violinkonzert Nr. 2, das rhythmische Präzision mit lyrischer Spannung verbindet. Den Abschluss bilden Elgars Enigma-Variationen. Es spielen die Wiener Symphoniker unter der Leitung von
Alexander Soddy.

John Adams’ „Short Ride in a Fast Machine“ eröffnet das vierte Meisterkonzert – energiegeladen und motorisch pulsierend. Es folgen Barbers expressives Cellokonzert mit Maximilian Hornung, Debussys La Mer und Ravels düster-glanzvoller La Valse. Das Opéra Orchestre National Montpellier spielt unter Roderick Cox.

Eine Weltpremiere in Bregenz: Im März präsentieren Hélène Grimaud und das Kammerorchester des BR-Symphonieorchesters eine exklusive Valentin-Silvestrov-Gala – ein Saisonhöhepunkt. In enger Zusammenarbeit mit dem Komponisten und der Pianistin entsteht ein Abend stiller Intensität. Die persönliche Verbindung Hélène Grimauds zu Valentin Silvestrov verleiht dem Programm besondere Authentizität – ein einmaliges Erlebnis, nur in Bregenz.

Lisa Batiashvili und Giorgi Gigashvili eröffnen in der Landeshauptstadt ihre
internationale Tournee mit einem Duo-Rezital. Ihr sensibles und kraftvolles Zusammenspiel verbindet klassisch-romantisches Repertoire mit georgischer Gegenwartskunst. Werke von Beethoven, Bartók und Bardanashvili bilden den vielschichtigen Rahmen des Abends.

Ergänzt wird die Saison durch das Format „Klangbilder. Die Orgel im Fokus“: Am 8. Mai 2026 widmet sich der junge Organist Jeremy Joseph in der Pfarrkirche St. Gallus der „Königin der Instrumente“ – mit Werken von
Georg Muffat, Bach, Mozart, Brahms und Mendelssohn-Bartholdy.

Begleitend dazu findet erneut das erfolgreiche Musikvermittlungsprogramm an Vorarlbergs Schulen statt – eine wichtige Brücke zur kommenden Generation von Hörer:innen.

Wir freuen uns auf Sie!

Michael Ritsch, MBA
Bürgermeister

Ing. Reinhold Einwallner
Stadtrat für Kultur

DO, 27. November 2025

Orchestre des Champs-Elysées & Collegium Vocale Gent
Philippe Herreweghe – Leitung

18.45 Uhr Konzerteinführung im Saal Bodensee
19.30 Uhr Großer Saal

Das gesamte Jahresprogramm 2025/2026 können Sie hier digital ansehen.

Ludwig van Beethoven (1770 – 1827)
Dritte Sinfonie in Es-Dur Opus 55
„Eroica“

  1. Allegro con brio
  2. Marcia funebre: Adagio assai
  3. Scherzo: Allegro vivace
  4. Finale: Allegro molto

Luigi Cherubini (1760 – 1842)
Requiem in c-Moll
Introitus et Kyrie
Graduale
Dies irae
Offertorium
Sanctus et Benedictus
Pie Jesu
Agnus Dei

Beethovens „Eroica“ – im Gedenken an einen Helden

Hatte Beethoven sich in seinen beiden ersten Sinfonien noch, wenn auch mit seinem bereits unverkennbaren eigenen Ton, an seinen großen Vorgängern Joseph Haydn und Wolfgang Amadeus Mozart orientiert, so beschreitet er mit seiner Dritte Sinfonie ganz neue Wege. Diese bestehen nicht etwa im Verlassen der gängigen Form, etwa der Viersätzigkeit. Vielmehr geschieht diese Neuerung von innen heraus. Themen werden satzübergreifend eingesetzt, Binnenstrukturen mit Bedeutung aufgeladen. Unverkennbar ist ein subjektiver Ton, der außermusikalische Inhalte erahnen lässt und der weit in die Epoche der Romantik weist. „Reden an die Menschheit“ hat man Beethovens Sinfonien genannt. Ganz bestimmt gilt dies für die Eroica. Die Rezensenten, die den ersten Aufführungen – die Uraufführung fand im April 1805 statt – beiwohnten, verstanden sehr wohl, dass sie hier einem großartigen Werk gegenüberstanden, fanden aber auch Worte wie „Bizzarerie“ oder „Regellosigkeit“. Allein die Spieldauer von etwa fünfzig Minuten war für damalige Zeiten ungewöhnlich.

Bis heute beschäftigt sehr wohl die Entstehung der Eroica wie auch ihre Deutung die Gemüter. Was erstere betrifft, so wird gerne die Geschichte erzählt, die der Sekretär und Freund Beethovens, Ferdinand Ries, wie folgt berichtet:

„Bei dieser Symphonie hatte Beethoven sich Buonaparte gedacht, aber diesen, als er noch erster Consul war. Beethoven schätzte ihn damals außerordentlich hoch und verglich ihn mit den größten römischen Consuln. Sowohl ich, als auch mehrere seiner näheren Freunde, haben diese Symphonie schon in Partitur abgeschrieben, auf seinem Tisch liegen gesehen, wo ganz oben auf dem Titelblatt das Wort „Buonaparte“, und ganz unten „Ludwig van Beethoven“ stand, aber kein Wort mehr. Ob und womit die Lücke ausgefüllt werden sollte, weiß ich nicht. Ich war der erste, der ihm die Nachricht brachte, dass Buonaparte sich zum Kaiser erklärt habe, worauf er in Wut geriet und ausrief: „Ist der auch nichts anderes als ein gewöhnlicher Mensch! Nun wird er auch alle Menschenrechte mit Füßen treten, nur seinem Ehrgeiz frönen; er wird sich nun höher stellen als alle anderen, ein Tyrann werden!“ Beethoven ging an den Tisch, fasste das Titelblatt oben an, riss es ganz durch und warf es auf die Erde. Die erste Seite wurde neu geschrieben und nun erst erhielt die Symphonie den Titel: Sinfonia eroica.“ Dennoch finden sich auf Abschriften und in Briefen auch danach immer wieder Hinweise, dass „Buonaparte“ in Zusammenhang mit der „Dritten“ Beethovens eine gewisse Rolle spielte. Schließlich finden wir in der Überschrift der ersten Londoner Partiturausgabe von 1809 den Hinweis auf einen unbekannten Helden („Sinfonia Eroica composta per celebrare la morte d’un Eroe“ bzw. später „per festeggiare il sovvenire di un grand’uomo“). Diskutiert wird neben Napoleon auch der von den Zeitgenossen als heldenhaft verehrte Prinz Louis Ferdinand von Preußen, der 1806 auf dem Schlachtfeld gegen die französischen Truppen sein Leben ließ. Beethoven hatte den Prinzen bei Fürst Lobkowitz, der der offizielle Widmungsträger der Sinfonie ist, noch kennengelernt.

Doch letztlich ist auch die Zueignung an einen imaginären Helden nicht auszuschließen. Und da gibt es im 20. Jahrhundert zwei interessante Deutungsversuche. Ausgehend von der Tatsache, dass das Thema des vierten Satzes der Sinfonie identisch ist mit dem Hauptthema von Beethovens Ballettmusik Die Geschöpfe des Prometheus Opus 43, entwickelten die Musikwissenschaftler Constantin Floros und Peter Schleunig die Theorie, dass die gesamte Sinfonie inspiriert ist vom Mythos dieses Helden, der den Göttern trotzt.

Noch überzeugender ist die Theorie Arnold Scherings, dass der Eroica Szenen aus Homers Ilias zugrunde liegen. Demnach schildert das Fanfarenmotiv des ersten Satzes die Kraft des Helden Patroklos, den Freund des Achilles, eine Episode in e-Moll, aber auch dessen Scheitern. Er fällt im Kampf, und so erleben wir im zweiten Satz, der Marcia funebre, seine Trauerfeier samt einiger, teils freudvoller Rückerinnerungen. Der dritte Satz führt uns die Reiterspiele zu seinen Ehren vor Augen. Das Finale schließlich, ein überaus kunstvoll gebauter Variationensatz, bewegt sich von der Ilias weg. Er ist formal gehalten vom Prometheus-Motiv, welches ein englischer Kontradance ist, und England war zu dieser Zeit ein Vorreiter der Demokratie. Dazu tauchen immer wieder Fragmente von Volkstänzen aus ganz Europa auf, darunter etwa ein ungarischer Verbunkos. Hat hier Beethoven seine Vision eines geeinten Europas in Töne gefasst? Ein großer und aktueller Gedanke wäre das!

Ich habe mir erlaubt, die Theorie Arnold Scherings vergleichsweise ausführlich zu schildern, weil Nikolaus Harnoncourt, der Mentor Philipp Herreweghes, von dieser Theorie überzeugt war und diese den Musikern bei den Proben detailgenau erklärt hat.

 Beethoven und Frankreich

Wie viele wache Geister hat Beethoven die politischen Vorgänge zu seiner Zeit in Frankreich aufmerksam verfolgt, also die Französische Revolution von 1789 und ihre Folgen. Mehr als das, Beethoven war an der französischen Kultur generell interessiert und plante sogar, um die Zeit der Komposition der Eroica, nach Paris zu übersiedeln. Wie wir wissen, hat er das nie in die Tat umgesetzt. Neben den soeben geschilderten Geschichten um die Dritte Sinfonie denken wir bei Beethovens Frankophilie vor allem an die Oper Fidelio, deren Libretto auf einem Text von Jean Nicholas Bouilly beruht. Dieser war ein Rechtsgelehrter und Literat. Sein Textbuch zur Oper Leonore, bei Beethoven schließlich Fidelio genannt, beruht auf einer dem Vernehmen nach wahren Begebenheit und wurde auch von Pierre Gaveaux, Simon Mayr und Ferdinando Paër vertont. Dass die Handlung in Sevilla spielt, ist natürlich der Zensur geschuldet.

Beethoven war ein großer Bewunderer von Luigi Cherubini, dessen dramatische Kraft er schätzte. So weit ging diese Bewunderung, dass Beethoven sich Cherubinis Requiem für seine eigene Trauerfeier wünschte. Auf einer Reise, die Cherubini nach Wien führte, lernte er Beethoven – wie übrigens auch Haydn – persönlich kennen. Cherubini setzte sich daraufhin für die Verbreitung der Musik Beethovens in Frankreich ein.

Luigi Cherubini und sein Requiem in c-Moll

Die Lebenszeit des aus Florenz stammenden Maria Luigi Carlo Zenobio Salvatore Cherubini erstreckte sich über wichtige Epochen der Musikgeschichte. Kaum später als Mozart geboren, reichte sein Leben und Schaffen über die gesamte Wiener Klassik hinweg weit in die frühe Romantik. Nach Studien in Italien strebte der junge Komponist nach europaweiter Anerkennung. Er ging zuerst nach London, wo er mit den Oratorien Georg Friedrich Händels vertraut wurde. 1787 übersiedelte er nach Paris, wo er mit seiner Oper Lodoïska den Durchbruch schaffte.

Es folgten, ebenfalls sehr erfolgreich, Die Wasserträger und Médée. Das sind Titel, die auch heutigen Musikfreunden etwas sagen, zumal das letztgenannte Werk durch Maria Callas in unsere Zeit geholt wurde. Brahms bezeichnete Médée als „höchste dramatische Musik“. Bei diesen Opern ließ sich Cherubini leiten von den Ideen Christoph Willibald Glucks, der Erhabenheit und Schlichtheit einforderte. Mehr Aufmerksamkeit als dieser schenkte Cherubini aber der Ausgestaltung des Orchesterparts.

Leider ließ sich dieser Erfolg nicht fortsetzen, da Napoleon die italienische Oper dem neuen dramatischen Stil vorzog. Auch deshalb geriet Cherubini in eine Schaffenskrise und beschäftigte sich zwei Jahre lang nur mit Botanik und Kartografie. Daraufhin wandte sich Cherubini der Instrumentalmusik und der geistlichen Musik zu und bekleidete bald das Amt des Superintendenten für die Königliche Kirchenmusik. Für die Philharmonische Gesellschaft London schrieb er eine Sinfonie, eine Ouvertüre und ein vierstimmiges Chorwerk. Des Weiteren entstanden ein achtstimmiges Credo, Streichquartette und eine Messe Solemnelle, die umfangreicher ist als die gewaltige Missa solemnis von Beethoven. Cherubini unterrichtete nun am Pariser Konservatorium und wurde bald darauf dessen Direktor. Die Entstehung des Requiems in c-Moll fällt in diese Epoche. Der Anlass für die Komposition war der 23. Jahrestag der Hinrichtung von Ludwig XVI im Jahr 1816. Das Werk fand großen Anklang, jedoch befand der Erzbischof von Paris einige Jahre später, dass es unstatthaft sei, wenn Frauen und Männer in der Kirche gemeinsam in einem Chor singen. So schrieb Cherubini ein weiteres Requiem in d-Moll, in dem nur ein Männerchor besetzt ist.

Gegenüber den großen Requien von Wolfgang Amadé Mozart und Giuseppe Verdi, die heute noch oft erklingen, verwendet Cherubini in seinen beiden Requien keine Solostimmen, vielleicht auch als Tribut an die Schlichtheit, der sich die französische Musik nach Gluck verpflichtet fühlte. Ein wenig vergleichen lässt sich das Requiem in c-Moll von Cherubini mit der anderen großen Totenmesse eines Franzosen. Gemeint ist das Requiem von Charles Gounod, das ebenfalls eine tröstliche Erhabenheit ausstrahlt, weniger jedoch die Schrecken des Dies irae schildert. In unserem Kulturkreis konnten sich Cherubinis Totenmessen im Gegensatz zu denen von Mozart und Verdi kaum durchsetzen.

FR, 19. Dezember 2025

Estonian National Symphony Orchestra
Olari Elts – Leitung
Simone Lamsma – Violine

18.45 Uhr Konzerteinführung im Saal Bodensee
19.30 Uhr Großer Saal

Das gesamte Jahresprogramm 2025/2026 können Sie hier digital ansehen.

Arvo Pärt (geboren 1935)
Cantus in memoriam Benjamin Britten für
Streichorchester und Glocke

Jean Sibelius (1865–1957)
Violinkonzert in d-Moll, Opus 47
1. Allegro moderato
2. Adagio di molto
3. Allegro ma non tanto

Jean Sibelius
Zweite Sinfonie in D-Dur, Opus 43
1. Allegretto
2. Tempo andante, ma rubato
3. Vivacissimo
4. Finale

Arvo Pärt – der „wahrhaftige Ton“

Mit Arvo Pärt, 1935 in Paide (Estland) geboren, würdigt das Estonian National Symphony Orchestra einen der wohl populärsten zeitgenössischen Komponisten anlässlich seines 90. Geburtstags. Seine ersten musikalischen Erfahrungen sammelte Arvo Pärt auf einem beschädigten Klavier im Haus seiner Familie. Arvo Pärt hat als Komponist seinen ganz eigenen Weg gefunden. Dieser macht ihn für die Avantgarde suspekt, denn er baut seinen „neuen alten Stil“ auf einem Dreiklang auf und bildet seine melodischen Modelle aus der Reihe der „sieben alten Töne“. Jedoch hat seine Kompositionsweise so gut wie nichts mit der funktionellen Harmonik der Klassik und Romantik zu tun. Vielmehr ist es ein Minimalismus der besonderen Art, den Pärt im Jahr 1977 so erklärt:

„Jede Phrase arbeitet selbständig. Ihr innerer Schmerz und die Aufhebung dieses Schmerzes sind untrennbar verbunden und bilden einen Atem.“ Und weiter schreibt Pärt in diesem Aufsatz:

„Man muss jeden Schritt von einem Punkt zu einem anderen auf dem Notenpapier erwägen. Es ist nötig, dass dieser Schritt erst erfolgt, nachdem du alle möglichen Noten auf ihre Reinheit geprüft hast. Der Ton, der alle Versuche überdauert hat, ist wahrhaftig.“

Vielleicht wird hier spürbar, dass Schweigen und Stille die Grundlage jeglicher Musik bilden, und wir verstehen, dass für den bekennenden orthodoxen Christen Arvo Pärt alle Musik in ihrem innersten Kern religiös ist. Es war im Jahr 1977, als Arvo Pärt nach einer längeren Schaffenspause mit einigen Werken wieder an die Öffentlichkeit trat. Eines davon ist der Cantus in Memoriam Benjamin Britten, gleichsam ein klingendes Epitaph für den wenige Monate zuvor verstorbenen Komponistenkollegen. Arvo Pärt äußert sich dazu sehr persönlich:

„In den zurückliegenden Jahren haben wir sehr viele Verluste für die Musik zu beklagen gehabt. Warum hat das Datum von Benjamin Brittens Tod – 4. Dezember 1976 – gerade eine Saite in mir berührt? Offenbar bin ich in dieser Zeit reif dafür geworden, die Größe eines solchen Verlustes zu erkennen. Unerklärbare Gefühle der Schuld, ja mehr als das, entstanden in mir. Ich hatte Britten gerade für mich entdeckt. Kurz vor seinem Tod bekam ich einen Eindruck von der seltenen Reinheit seiner Musik – einer Reinheit, die dem Eindruck vergleichbar ist, den ich von Balladen Guillaume de Machauts erhalten hatte. Außerdem hatte ich lange schon den Wunsch gehabt, Britten persönlich kennenzulernen. Es kam nicht mehr dazu.“

Man kann nur mutmaßen, wie diese Begegnung zwischen den beiden Größen der Musik verlaufen wäre. Denn äußerlich gesehen haben sie wenig gemeinsam. Britten, der freigeistige Weltbürger und offen homosexuell Lebende, der groß besetzte, komplexe Werke für die Opernbühne und den Konzertsaal schrieb. Andererseits der zurückgezogene, stets suchende Pärt, dessen Werke eine größtmögliche, vielleicht sogar provozierende Schlichtheit anstreben.

Der Cantus in Memoriam Benjamin Britten hat kaum etwas zu tun mit der Musik Benjamin Brittens, vielmehr zeigt er den Stil Arvo Pärts in beeindruckender Reinheit. Er ist eines der Stücke, die den „Tintinnabuli-Stil“ (lateinisch: tintinnabulum = Glöckchen) am sinnfälligsten repräsentieren. Tatsächlich gibt es neben dem Streicherensemble eine Glocke, die regelmäßig den Ton A anschlägt. Des Weiteren fällt eine absteigende a-Moll-Tonleiter auf, dazu der a-Moll-Dreiklang. Das Stück beginnt sehr leise, steigert sich und kehrt wieder zurück in die Stille.

Dass dieser konsequente Purismus, dazu die stets durchschimmernde religiöse Haltung dem kommunistischen Musikideal alles andere als nahekam, ist klar. Arvo Pärt sah sich daher Repressalien ausgesetzt und emigrierte 1980 nach Wien, wo er die österreichische Staatsbürgerschaft erhielt. Bald zog er nach Berlin, um nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wieder nach Estland zurückzukehren. Sein Heimatland ehrte ihn unter anderem mit dem Arvo-Pärt-Zentrum zur Dokumentation und Erforschung seiner Werke. 2003 richtete die Kulturhauptstadt Graz für Pärt eine Personale aus, und 2005 wohnten Arvo Pärt und seine Frau Nora Pärt der Uraufführung seines Stücks Da pacem Domine durch das Hilliard Ensemble in der Probstei Sankt Gerold im Großen Walsertal bei.

Jean Sibelius – das schwierige Genie

Janne Sibelius war ein Jugendlicher, als sein Onkel, Kapitän auf hoher See, dem Gelbfieber erlag. Dieser Onkel war eine legendäre Figur in der ganzen Sippe. So auch für den jungen Janne, dessen Vater starb, als er nicht einmal vier Jahre alt war. Im Nachlass des Kapitäns fand sich ein Pack Visitenkarten, auf denen sich dieser weltmännisch französisch Jean nannte. Diese Visitenkarten eignete sich Janne an und wurde zu Jean Sibelius, wie wir ihn bis heute kennen.

Jean Sibelius wurde 1865 in Finnland in eine schwedischstämmige Familie hineingeboren und lernte erst spät die finnische Sprache. Das damalige Finnland war noch kein eigenständiger Staat und Spielball zwischen den Interessen vor allem Schwedens und des russischen Zarenreichs. Mit dem finnischen Nationalgedanken, mit dem man Sibelius später so stark identifizierte, kam er durch die Familie Järnefelt in Berührung. Er befreundete sich mit deren künstlerisch tätigen Söhnen und heiratete schließlich deren Schwester Aino – Aino hatte den Ruf, das schönste Mädchen Finnlands zu sein. Der Ehe, die fünfundsechzig Jahre dauerte, entsprangen sechs Töchter. Das Familienleben war nicht immer glücklich, denn Jean führte ein ausschweifendes Leben und leistete sich Alkoholexzesse, sodass trotz guter Einkünfte zeitweilig nicht einmal das Schulgeld für die Töchter aufgebracht werden konnte.

Jean Sibelius strebte als junger Mann die Laufbahn eines Geigers an, ja, er bewarb sich bei den Wiener Philharmonikern, aber erfolglos. Schließlich studierte er in Helsinki, dann in Berlin und in Wien bei Robert Fuchs und Karl Goldmark Komposition. Ab 1892 unterrichtete er am Konservatorium Helsinki. In diese Zeit fallen auch seine ersten Kompositionen, die sofort Beachtung fanden und eine wichtige Rolle in der finnischen Unabhängigkeitsbewegung gegen die russische Vorherrschaft spielten. Es sind die heute noch sehr populären Werke wie die Karelia-Suite, die Chorsinfonie Kullervo sowie die Tondich-
tung Finlandia. Inwieweit diese Werke tatsächlich von nationalpolitischen Ideen gespeist sind, sei dahingestellt. So gut wie sicher aber kann man sagen, dass das gesamte Schaffen von Jean Sibelius, sei dies Programmmusik oder absolute Musik, beeinflusst ist von der Größe und der Weite der finnischen Landschaft. Zudem beschäftigte er sich eingehend mit den uralten Runengesängen Kareliens.

Schon zu Lebzeiten war Jean Sibelius international geachtet, nicht zuletzt in den angelsächsischen Ländern. In Europa begannen seine Werke erst nach dem Zweiten Weltkrieg Fuß zu fassen, vor allem durch die Aufnahmen, die etwa Leonard Bernstein oder Herbert von Karajan auf Schallplatte einspielten. Vielleicht stand die Tatsache im Weg, dass das Naziregime Sibelius’ Werke für
sich vereinnahmte, ohne dass von Seiten des Komponisten eine Nähe zum Hitlerregime bestand. Von seinem Heimatland Finnland bezog Jean Sibelius eine lebenslange Ehrenpension. Und zu seinem neunzigsten Geburtstag erhielt er weit über tausend Glückwunschtelegramme, zudem von Winston Churchill eine Kiste Zigarren. Doch um diese Zeit schrieb Jean Sibelius schon lange keine Note mehr, genau gesagt: Er komponierte die letzten dreißig Jahre seines Lebens nicht mehr. Ob das zu tun hatte mit seinem exzessiven Alkohol- und Tabakkonsum oder vielleicht mit den politischen Geschehnissen der Zeit, die den hypersensiblen Künstler irritierten, weiß man nicht. Er selbst hat sich dazu nie geäußert.

Das Violinkonzert
„Die Geige hatte mich ganz in ihren Bann geschlagen. Zehn Jahre war es mein frommster Wunsch gewesen, ein großer Geigenvirtuose zu werden. Es bedeutete ein schmerzhaftes Erwachen, als ich eines Tages feststellen musste, dass ich für den mühsamen Pfad eines Virtuosen meine Ausbildung zu spät begonnen hatte.“ Jean Sibelius war als junger Mann wohl ein ausgezeichneter Geiger, denn er hatte als Solist Konzerte etwa von Henri Vieuxtemps oder Felix Mendelssohn-Bartholdy aufgeführt. Anders als etwa Dvořák oder Brahms, die sich von Joseph Joachim beraten ließen, konnte sich Jean Sibelius daher auf eigene Kenntnisse der Spieltechnik verlassen. Das Violinkonzert blieb das einzige Virtuosenkonzert im Œuvre von Sibelius, und sein Weg zu dem, was es heute ist – nämlich eines
der wichtigsten Werke seiner Gattung – war ein holpriger.

Jean Sibelius komponierte sein Violinkonzert im Jahr 1903 auf Anregung des deutschen Geigers Willy Burmester, dem er es widmete und der auch die Uraufführung in Berlin spielen sollte. Sibelius entschloss sich jedoch, wohl aus finanziellen Erwägungen heraus, die Uraufführung vorzuverlegen und in Helsinki abzuwickeln. Burmester sah sich außerstande, den neuen Termin wahrzunehmen, und so spielte Viktor Nováček den Solopart. Allerdings dem Vernehmen nach sehr unzulänglich, sodass der Komposition bei Publikum und Presse kein Erfolg beschieden war. Sibelius schrieb eine Neufassung und veranlasste eine weitere Aufführung in Berlin unter dem Dirigat von Richard Strauss und Karel Halíř als Solisten. Burmester wurde also erneut übergangen, aber diesmal hatte das Werk Erfolg. Heute zählt es zu den wichtigsten Solokonzerten für Violine und ist Prüfstein für das Können jedes Solisten, denn es ist höchst anspruchsvoll.

Die zeitliche Nähe zur Zweiten Sinfonie ist dem Violinkonzert von Sibelius anzumerken, wobei letzteres den skandinavisch klaren Ton weniger zelebriert als einen kosmopolitisch-spätromantischen Gestus. Es beginnt mit einem Tremolo der gedämpften Geigen, über dem sich die Solovioline aufschwingt. Drei Themen werden im ersten Satz exponiert, die aber ungewöhnlicherweise mittels einer ausgedehnten Solokadenz der Geige durchgeführt werden. Auch die Reprise verläuft nicht nach dem gängigen Schema, sondern variiert die drei Themen stark. Der zweite Satz ist von weit ausschwingenden Kantilenen der Geige bestimmt, jedoch werden diese in ein dichtes thematisches Geflecht mit dem Orchester eingewoben. Einen mitreißend tänzerischen Elan entfaltet der dritte Satz, der die technischen Anforderungen an den Solisten noch steigert. Eine Stretta in Oktav-Doppelgriffen krönt das eindrucksvolle Werk.

Die Zweite Sinfonie
Im Jahre 1901 war Sibelius bereits sehr prominent und hatte seine erste Sinfonie präsentiert, als ihm ein unbekannter Gönner einen Italienaufenthalt mit Frau und Kindern spendierte – Italien galt ja schon lange als Land der Künste, der Fülle und der Inspiration, man denke an die Italienaufenthalte von Goethe, Mendelssohn oder Tschaikowski. Die Familie machte sich auf die Reise, hielt sich aber ungeplant lange in dem von Jean geschätzten Berlin auf. Die Reisekasse, die immerhin nach heutigem Geld aus achtzehntausend Euro bestand, war leer, sehr zum Entsetzen Ainos. Doch erstaunlicherweise wurde ein neuer Gönner gefunden, die Reise wurde fortgesetzt und ein Haus in Ligurien gemietet. Dieser Gönner legte sein Geld gut an, denn in Italien entstand das wichtigste sinfonische Werk Sibelius’, seine Zweite Symphonie in D-Dur, Opus 43.

Doch auch in der zauberhaften Landschaft Liguriens lief es nicht glatt: Die sechsjährige Tochter Ruth erkrankte an Cholera, und Jean war außer sich vor Sorge – sind doch sowohl sein Vater als auch seine Tochter Kirsti an dieser Krankheit gestorben. Ruth erholte sich, doch der hypersensible Jean konnte sich nicht sammeln. Er ließ Frau und Töchter an der Riviera zurück und reiste nach Rom, wo er endlich die Sinfonie schrieb – in durchwegs nüchternem Zustand, wie er in einem Brief an Aino versicherte. Vollendet hat Sibelius seine D-Dur-Sinfonie dann in Finnland, zurückgezogen in einem Komponierhäuschen. Das erinnert an Gustav Mahler, der ebenfalls in einem eigenen Häuschen in der Natur seine Sinfonien schrieb. Und ein Vergleich mit Mahler hilft uns zum besseren Verständnis der Symphonik von Jean Sibelius. Denn während der Wiener in seinen Klanggebäuden unmissverständlich seine Weltsicht mitteilt, bleibt Sibelius, was den Inhalt seiner Komposition angeht, bedeckt und lässt weder durch verbale Bekenntnisse noch durch seine Klänge zu, etwas hineinzuinterpretieren. „Klares, kaltes Wasser“ habe er komponiert, das ist alles, was er äußerte.

Tatsächlich besticht das große Werk mit immerhin gut dreiviertel Stunden Spieldauer durch seine Klarheit. Und in der Tat ist es ein einziges Motiv, aus dem sich die ganze Sinfonie aufbaut. Wir hören es deutlich gleich zu Beginn: ein vibrierender D-Dur-Dreiklang, aufstrebend und wieder abwärts. Es ist sicher nicht falsch, im Zusammenhang mit diesem Formkonzept an grundlegende Vorgänge in der Natur zu denken – wie das Wachsen einer Pflanze, ja eines Baumes aus einem einzigen Samenkorn. Und da Sibelius durchaus mystischen Ideen zugetan war, ist nicht auszuschließen, dass dieser schlichte Dreiklang so etwas darstellen möchte wie den göttlichen Ursprung, das All-Eine, aus dem alles erwächst und in das alles zurückkehrt. Es gelingt Sibelius somit, ohne eine derart offensichtliche Revolution wie die wenig später sich manifestierende Atonalität, den durch die Sonatenhauptsatzform vorgegebenen, bis dahin herrschenden symphonischen Grundgedanken der Dialektik zu überwinden und so die Form der Symphonie von innen heraus zu erneuern.

FR, 23. Januar 2026

Wiener Symphoniker
Alexander Soddy – Leitung
Augustin Hadelich – Violine

18.45 Uhr Konzerteinführung im Saal Bodensee
19.30 Uhr Großer Saal

Das gesamte Jahresprogramm 2025/2026 können Sie hier digital ansehen.

Richard Wagner (1813–1883)
Vorspiel und „Isoldes Liebestod“ aus Tristan und Isolde

Sergej Prokofjew (1891–1953)
Konzert für Violine und Orchester Nr. 2 g-Moll, op. 63
1. Allegro moderato
2. Andante assai – Allegretto
3. Finale: Allegro ben marcato

Edward Elgar (1857–1934)
Enigma-Variationen, op. 36

Richard Wagner
Vorspiel und „Isoldes Liebestod“ aus
„Tristan und Isolde“

Ein aufspringendes Sextintervall, das wieder zurücksinkt und in einen geheimnisvollen, vieldeutigen Akkord mündet – das ist der Beginn von „Tristan und Isolde“, der berühmte „Tristanakkord“, der sich, immer wieder verwandelt, in einer einzigen großen Geste der Sehnsucht durch die „Handlung in drei Aufzügen“ zieht. Tristan und Isolde sind durch ihre Vorgeschichte schicksalhaft aneinander gebunden; Richard Wagner schuf für die beiden Liebenden seine sicherlich sinnlichste Musik. Auch in „Isoldes Liebestod“, dem flammenden Schlussgesang, den Isolde an der Seite des verstorbenen Tristan anstimmt, bietet Wagner noch einmal alles an Orchesterfülle und Farbenreichtum auf, was Streicher, Holzbläser und Blechbläser vermögen. Der Text ist fast nebensächlich, meist ist er eh nicht zu verstehen, doch die Musik spricht von Verzückung, Rausch, Ekstase, Außersich-Sein, von endgültiger Vereinigung im Tod.

Wie Tristan hatte sich auch Wagner verliebt – in Mathilde Wesendonck, die geistreiche und anmutige Gattin eines wohlhabenden Zürcher Kaufmanns. Wie in der Oper ist auch im Leben klar, dass die Verbindung nicht halten wird. Wagner schreibt Textbuch und Partitur wie in einem Rausch nieder; die Trennung von seiner Muse ist dann zum Glück weniger tragisch als in seinem Musikdrama, das der Komponist schlicht als „Handlung in drei Aufzügen“ bezeichnet. Es ist ein auskomponiertes Liebessehnen, das mit einer Frage anhebt und in Tod und Verklärung endet.

Sergej Prokofjew
Konzert für Violine und Orchester
Nr. 2, g-Moll op. 63

Wie seine Kollegen und Landsleute Rachmaninow, Skrjabin und Schostakowitsch war auch Sergej Prokofjew ein hervorragender Pianist, der seine Werke auf ausgedehnten Konzertreisen in Europa präsentierte. Ungefähr ein Drittel seines Gesamtwerks ist dem Klavier gewidmet. Den ersten Unterricht erhielt er bei seiner Mutter, später studierte er an den Konservatorien in Moskau und St. Petersburg, wo Rimski-Korsakow sein Kompositionslehrer war. Zunächst gab sich Prokofjew als „junger Wilder“: Er verstörte viele – Publikum wie Kommilitonen – mit seinen hämmernden Rhythmen und schroffen Klängen, interessierte sich mehr für die neuen Strömungen der westlichen Musik, wie sie etwa Strawinsky und Debussy vermittelten. Lange Jahre ab 1918 verbrachte Prokofjew als Pianist im Ausland, lernte in Paris den Choreografen Serge Diaghilew kennen, für dessen Compagnie Ballets russes er mehrere Ballette schuf.

1934 kehrte er nach Russland zurück und wandte sich stilistisch eher einem heiteren Neoklassizismus zu, wie ihn das musikalische Märchen Peter und der Wolf (1936) kennzeichnet. Wie Schostakowitsch musste auch er sich den Vorstellungen der sowjetischen Kulturbehörden beugen, die moderne Töne ablehnten, ihm aber doch einen gewissen Spielraum ließen. So schuf er Filmmusik für den russischen Regisseur Sergej Eisenstein (Alexander Newskij, 1938, und Iwan der Schreckliche, 1942/44), das Ballett Romeo und Julia (1935/36) nach Shakespeare, weitere Sinfonien und die Oper Krieg und Frieden (1944) nach dem Roman von Tolstoi.

Konzert für Violine und Orchester Nr. 2 g-Moll op. 63
Das zweite Violinkonzert stammt aus der Mitte der 1930er Jahre, als sich Prokofjew entschlossen hatte, in seine Heimat zurückzukehren. Er übernahm eine Klasse am Moskauer Konservatorium, wirkte als Juror in einem Wettbewerb für Märsche und Massenlieder. 1937, zum zwanzigsten Jahrestag der russischen Revolution, war ein ganzes Konzert seinem Schaffen gewidmet. Auch das zweite Violinkonzert erklang zu diesem Anlass – übrigens zusammen mit einer repräsentativen Festkantate auf Texte von Lenin, Marx, Engels und Stalin, mit der sich Prokofjew zumindest vorläufig die Gunst der Mächtigen sicherte.

Das zweite Violinkonzert war zwei Jahre zuvor entstanden, noch im Ausland – doch schon in der Einleitung der Solovioline mit einem deutlich russischen Tonfall. Eine Gruppe von Verehrern des französischen Geigers Robert Soetens, der bereits 1932 die Sonate für zwei Violinen zum ersten Mal interpretiert hatte, gab Prokofjew den Auftrag. Soetens, der bis ins hohe Alter konzertierte und das Konzert weltweit bekannt machte, bekam für ein Jahr das alleinige Aufführungsrecht und musizierte es auch unter der Leitung des Komponisten. Prokofjew schrieb zur Entstehung:

„Es entstand in den verschiedensten Ländern, wodurch es zum Spiegelbild meines nomadenhaften Konzertierens wurde – das Hauptthema des ersten Satzes in Paris, das erste Thema des zweiten Satzes in Woronesch, die Instrumentierung wurde in Baku abgeschlossen, und zum ersten Mal gespielt wurde es im Dezember 1935 in Madrid. Damit ist eine interessante Konzertreise mit Soetens durch Spanien, Portugal, Marokko, Algier und Tunis verknüpft.“

Mit der dreisätzigen Anlage und einem transparenten Orchestersatz besinnt sich Prokofjew auf klassische Formen. Das Konzert setzt anspruchsvolle Spieltechniken für den Solisten ein, ist aber nicht außergewöhnlich virtuos. Das Eröffnungsthema wird vom Orchester aufgenommen, kontrapunktisch weitergeführt, es wandert durch die Stimmen und verwandelt sich durch die Klangfarben der Instrumente. In weiten Bögen schwebend breitet sich die Solovioline im langsamen Satz über der Pizzicato-Begleitung der Streicher aus, entwickelt sich im Mittelteil zu intensiver Bewegung und kehrt zurück zum verinnerlichten Tonfall des ersten Teils. Herzhaft wirkt die Tongebung im Finalsatz – mit Springbogen und jenen gezackten Melodien, die uns auch im kurz danach entstandenen Ballett Romeo und Julia begegnen.

Detlef Gojowy, der Spezialist für russische Musik, schreibt zum Stil des Konzerts: „Elemente des herkömmlichen, romantischen Konzertierens sind – wie in der Dramaturgie Bertolt Brechts – in ihrem Materialwert betrachtet, in neuen Sichtweisen gebrochen und ‚objektiviert‘, jedenfalls mit neuen Akzenten ausgestattet.“

Edward Elgar
Enigma-Variationen op. 36

Gut zweihundert Jahre liegen zwischen der Zeit des englischen Barockmeisters Henry Purcell und der des Romantikers Edward Elgar, der als erster britischer Komponist wieder Weltruhm erlangte. Sein Vater hatte ein Musikgeschäft in Worcester, und obwohl Edward Elgar sich ein Musikstudium nie leisten konnte und als Komponist Autodidakt blieb, war er doch ständig von Musik umgeben. Er spielte Geige in den örtlichen Orchestern und komponierte Musik für allerlei Gelegenheiten. Berühmt geworden sind seine Enigma-Variationen aus dem Jahr 1899, in denen er bekannte und weniger bekannte Persönlichkeiten der englischen Gesellschaft und aus seinem Freundeskreis porträtierte. Zwei Sinfonien, Oratorien, ein Violinkonzert, das bekannte Cellokonzert und die symphonische Dichtung Falstaff hat Elgar hinterlassen, dazu die bei Blasorchestern sehr beliebten, effektvollen Märsche Pomp and Circumstance. Als seine Gattin im Jahr 1920 starb, ließ seine Schaffenskraft nach; bis zu seinem Tod 14 Jahre später komponierte Elgar fast nichts mehr.

Auch bei der Entstehung der Enigma-Variationen vertraute Elgar auf das Urteil seiner Frau: Eine Geschichte erzählt, dass der Komponist im Spätherbst des Jahres 1898 am Klavier saß und improvisierte. „Ganz in Gedanken versunken ist Elgar; seine Finger suchen sich wie von selbst ihren Weg auf der Tastatur. Plötzlich geht die Wohnzimmertür auf. ‚Edward, was hast du da gerade gespielt?‘ Im Türrahmen steht Elgars Frau Alice. ‚Ich habe nur ein bisschen vor mich hin improvisiert.‘ – ‚Ich meine diese Melodie gerade, die hat mir gefallen.‘ Alice geht durchs Zimmer und stellt sich neben ihren Mann ans Klavier. ‚Kannst du sie noch mal wiederholen?‘ Elgar überlegt einen Moment, dann sucht er die Notenfolgen und Akkorde zusammen. ‚Das klingt wunderschön. Was ist das, Edward?‘ – ‚Nichts bisher. Aber es kann noch etwas daraus werden.‘“

Es „wurde“ ein Variationswerk, in dem der Komponist seinen Hörern mehrere Rätsel aufgab – Enigma, das griechische Wort für „Rätsel“, wurde erst später zum Titel. Ein „verborgenes Geheimnis“, das man nicht höre, durchziehe das Werk: Musikwissenschaftler rätselten lange und bis heute, was sich dahin-
ter wohl verberge, während Elgars Freund August Jäger (der selbst in Nimrod porträtiert ist) mutmaßte, es handle sich um eine spezifische Ausprägung von Elgars Humor, der seine Mitwelt gern ein wenig aufs Glatteis führte. Die anderen Rätsel, nämlich die Initialen seiner Freunde als Satzüberschriften, konnten gelöst und den Personen der britischen Gesellschaft zugewiesen werden:

Variation 1: C.A.E. (Elgars Frau)
Variation 2: H.D.S.P. (Hew David Steuart-Powell, ein Amateurpianist)
Variation 3: R.B.T. (Richard Baxter Townshend, Verfasser der „Tenderfoot“-Bücher)
Variation 4: W.M.B. (W. M. Baker, ein Gutsbesitzer)
Variation 5: R.P.A. (Richard P. Arnold, Sohn von Matthew Arnold)
Variation 6: Ysobel (Isabell Fitton, Amateur-Geigerin)
Variation 7: Troyte (Troyte Griffith, Architekt aus Malvern)
Variation 8: W.N. (Winifred Norbury, Musikliebhaberin)
Variation 9: Nimrod (A.J. Jaeger, Verlegerfreund von Elgar)
Variation 10: Intermezzo, Dorabella (Dora Penny)
Variation 11: G.R.S. (George Robertson, Organist in Hereford)
Variation 12: B.G.N. (Basil G. Nevinson, Amateur-Cellist)
Variation 13: ??? (Lady Mary Lygon)
Variation 14: Finale E.D.U. (Elgars Kosename)

Dabei schafft Elgar auf der Grundlage eines ruhig-melancholischen, emphatisch sich aufschwingenden Themas, das zwischen Dur und Moll changiert und das, so der Komponist, die „Einsamkeit des schöpferischen Künstlers“ zeigt, eine Reihe von Charakterstücken, die auf oft kleinstem Raum wohl etwas vom Geist der Porträtierten widerspiegeln. Die erste Variation, der Gattin Alice gewidmet, löst das Thema ganz traditionell auf; die schlichte Melodie erscheint reicher instrumentiert in einem ersten Höhepunkt des gesamten Orchesters. Weiter treten ein aufgeregt wuselnder Pianistenfreund, ein großspurig wirkender Mann, eine sanfte Bratschistin, ein Organist, ein Amateur-Cellist und schließlich Elgar selbst in der großen Zusammenfassung auf die imaginäre Bühne. Das emotionale Zentrum, ein sehnsüchtiges, groß aufblühendes Adagio, wird auch gerne außerhalb des Variationenwerks als Zugabe gespielt. Mit seinem Titel Nimrod spielt es auf den biblischen Helden und König an, der auch als „gewaltiger Jäger vor dem Herrn“ bezeichnet wird und somit für Elgars Freund, den Verleger August Jäger, steht. Mit der Uraufführung der Enigma-Variationen durch den deutschen Dirigenten Hans Richter am 19. Juni 1899 in London und des großen Oratoriums The Dream of Gerontius ein Jahr später hatte Edward Elgar seinen internationalen Durchbruch als Komponist. In seiner Orchestersprache ist er eng mit der deutschen Romantik von Brahms, Schumann oder Richard Strauss verbunden. Nach dem überwältigenden Erfolg der Uraufführung wurde das Werk von Dirigenten wie Gustav Mahler, Felix Weingartner oder Arturo Toscanini weiter in die Musikwelt getragen – bis heute hat sich nichts an der Beliebtheit der Enigma-Variationen geändert.

FR, 20. Februar 2026

Opéra Orchestre National Montpellier
Roderick Cox – Leitung
Maximilian Hornung – Cello

18.45 Uhr Konzerteinführung im Saal Bodensee
19.30 Uhr Großer Saal

Das gesamte Jahresprogramm 2025/2026 können Sie hier digital ansehen.

John Adams (*1947)
Short Ride in a Fast Machine, Fanfare für Orchester (1986)

Samuel Barber (1910 – 1981)
Concerto for Violoncello and Orchestra, op. 22 (1945)
Allegro moderato
Andante
Molto allegro ed appassionato

Claude Debussy (1862 – 1918)
La Mer, L 111, 109 (1905)
I. De l’aube à midi sur la mer – très lent
(Morgengrauen bis Mittag auf dem Meer – sehr langsam)
II. Jeux de vagues – allegro
(Spiel der Wellen – Allegro)
III. Dialogue du vent et de la mer – animé et tumultueux
(Dialog zwischen Wind und Meer – lebhaft und stürmisch)

Maurice Ravel (1875 – 1937)
La Valse (Choreographische Dichtung für Orchester), M 72 (1920)

Der Konzertabend vereint vier berühmte Werke von vier Komponisten, die eine Charaktereigenschaft gemeinsam haben: John Adams, Samuel Barber, Claude Debussy und Maurice Ravel widersetzten sich in ihren Werken den kompositorischen Stilmitteln ihrer Zeit und fanden zu originellen, individuellen Ausdrucksformen. Alle vier Künstler erhielten und erhalten zu ihren Lebzeiten viel Anerkennung, und ihre Werke werden von renommierten Musiker:innen sowie Orchestern in vielen Konzertsälen der Welt gespielt. Stilistisch führen die Werke in musikalische Welten, die nicht primär auf melodischen Einfällen beruhen. Vielmehr bilden Tonfloskeln und Motive schillernde Klangflächen aus, die rhythmisch raffiniert verwoben werden. Dadurch verströmen die Werke eine vorwärtsdrängende Kraft, erzeugen eine große räumliche Weite oder führen die Zuhörenden in einen regelrechten Klangwirbel.

John Adams
Short Ride in a Fast Machine.
Fanfare für Orchester (1986)

Als kreativer Vordenker ist der amerikanische Komponist John Adams (*1947) einer der bedeutendsten Komponisten unserer Zeit. Bekannt wurde er vornehmlich im Umkreis der Minimal Music, die Steve Reich, Philip Glass und Terry Riley ab den 1970er-Jahren mitbegründet haben. John Adams führte diese Stilrichtung weiter und legt seinen Werken oft philosophische und auch politische Ausgangsgedanken zugrunde. Ein wesentliches Merkmal seiner Musik ist die Rhythmik. „Das Einzige ist der unaufhörliche Pulsschlag“, bringt der Komponist seine Stilistik auf den Punkt. Verbindend fügt er in seinen Werken musikalische Ideen aus dem Jazz, der Popmusik und der Klassik zusammen.

John Adams ist Klarinettist. Er studierte an der Harvard University, spielte zeitweise im Boston Symphony Orchestra und komponierte bereits als Jugendlicher. Über mehrere Jahre hinweg war er als „Composer in Residence“ für das Boston Symphony Orchestra tätig, das auch zahlreiche seiner Kompositionen zur Uraufführung brachte. Seit 1971 lebt der Künstler in San Francisco. Dort hatte er von 1972 bis 1982 einen Lehrauftrag und leitete das New Music Ensemble. Diese Zeit prägte seinen kompositorischen Stil wesentlich, denn nach einer Schreibblockade erweiterte John Adams seine Stilistik und führte sie in neue Bahnen. Das berühmte Orchesterwerk Short Ride in a Fast Machine stammt aus dieser Schaffensphase und ist eines der am häufigsten aufgeführten Werke des Komponisten.

Eine enge Zusammenarbeit verbindet John Adams mit dem Librettisten und Regisseur Peter Sellars. Die Opern Nixon in China aus dem Jahr 1987 oder The Death of Klinghoffer (1991) brachten ihm den Ruf eines politischen Komponisten ein. Zahlreiche Auszeichnungen erhielt John Adams für sein Oratorium On the Transmigration of Souls in Gedenken an die Opfer von 9/11. Doch die Zuschreibung „politischer Komponist“ behagt dem Künstler, dessen Musik sich nicht kategorisieren lässt, nicht. Er nehme einfach nur die Themen, die das menschliche Leben ausmachen, und bringe sie in eine Kunstform. Musik sei für ihn eine Kunst, die man fühlen müsse. „Ich bin beim Schreiben dadurch motiviert, wie ich die Welt erlebe.“

Als Komponist und Lehrender wurde John Adams vielfach mit Ehrendoktoraten, Preisen und Grammy Awards ausgezeichnet, unter anderem für die Alben Harmonielehre und Short Ride in a Fast Machine. Ebenso erfolgreich ist der Künstler am Dirigentenpult: Er leitete und leitet zahlreiche international renommierte Orchester, unter anderem die Berliner Philharmoniker, das London Symphony Orchestra oder die Wiener Symphoniker.

Zum Werk
„Kennen Sie das, wenn jemand Sie bittet, in einem tollen Sportwagen mitzufahren, und dann wünschen Sie sich, Sie hätten es nicht getan?“ – mit dieser Anekdote veranschaulicht John Adams die Inspiration zum Werk Short Ride in a Fast Machine, mit dem Untertitel Fanfare für Orchester. Bereits der Werktitel impliziert die Ängste des Mitfahrenden. Die Musik ist ein Musterbeispiel jener Schaffensphase, in der John Adams die Minimal Music als Basis seines kompositorischen Ausdrucks verwendete. Sie ist gekennzeichnet durch „Wiederholung, gleichmäßigen Rhythmus und, was vielleicht am wichtigsten ist, eine harmonische Sprache mit einer Betonung der Konsonanz, die in der westlichen Kunstmusik der letzten fünfhundert Jahre ihresgleichen sucht“, fasst der Autor Michael Steinberg im Buch The John Adams Reader zusammen. „Adams ist kein einfacher – oder einfältiger – Künstler. Sein Anliegen war es, eine Musik zu erfinden, die zugleich vertraut und subtil ist. Trotz ihrer minimalistischen Züge sind die Werke (…) immer bezaubernd im Glanz und Schimmer ihrer Klangfülle und berstend vor Energie, die durch ihre harmonische Bewegung entsteht.“

Die Dynamik ist laut und rasant. Das Werk ist mit der Satzbezeichnung delirando versehen. Einleitend erklingt ein markanter Eröffnungspuls. Doch diese Pulsation kommt rasch in Konflikt mit anderen Motiven, die beispielsweise von vier Trompeten eingebracht und mit hektischen Einwürfen der Streicher kontrastiert werden. Dadurch entsteht eine Bewegung, die sich in mehreren thematischen Gegenströmungen stetig steigert.

Harmonisch stützt sich John Adams ganz auf die Konsonanzen und erzielt durch die sich überlagernden Obertöne eine voluminöse Resonanzkraft. Das groß besetzte Orchester ist mit einem umfangreichen Perkussionsapparat – bestehend aus Xylophon, Crotales, Glockenspiel, Becken, Tamburin, Tamtam und Synthesizer – ausgestattet.

Samuel Barber
Concerto for Cello and Orchestra, op. 22 (1945)

Fast jede und jeder Klassikliebhaber:in kennt das Adagio von Samuel Barber (1910 – 1981). Aber weitere Kompositionen? Mit einigen anderen Musikschaffenden teilt der amerikanische Komponist dieses Schicksal. Doch Samuel Barbers Œuvre ist groß, und auch sein Opernschaffen fand vornehmlich in Amerika viel Anerkennung. So gilt er in den USA als einer der erfolgreichsten Komponisten des 20. Jahrhunderts. Samuel Barber schuf einige Auftragswerke für berühmte Musiker:innen wie Vladimir Horowitz, Leontyne Price, Francis Poulenc oder auch Dietrich Fischer-Dieskau. 1935 erhielt er den American Prix de Rome, 1941 wurde er in die American Academy of Arts and Letters aufgenommen und 1961 in die American Academy of Arts and Sciences. 1958 erhielt er erstmals einen Pulitzer-Preis für die Oper Vanessa und 1963 einen zweiten für sein Klavierkonzert.

Samuel Barber wurde in West Chester, Pennsylvania, geboren, wo er aufwuchs und von 1924 bis 1932 Klavier, Komposition, Dirigieren und Gesang studierte. Zunächst trat er als Sänger in Erscheinung. Sein Gesangsstudium führte ihn auch zu John Braun nach Wien. Ein Aufenthalt an der American Academy in Rom war für den Komponisten ein entscheidender Ausgangspunkt für seine Karriere, denn dort lernte er Arturo Toscanini kennen. Der Dirigent förderte Samuel Barber nach Kräften und begründete damit seinen Weltruhm.

Während der Kriegsjahre von 1942 bis 1945 stand Samuel Barber in den Diensten der Air Force. Vorher war er drei Jahre als Kompositionslehrer tätig, doch dem Unterrichten konnte er nichts abgewinnen. Gemeinsam mit seinem Komponistenkollegen und Lebenspartner Gian Carlo Menotti wohnte Barber in Mount Kisco, nahe New York, wo ein Großteil seiner Werke entstand.

Zeit seines Lebens nahm Samuel Barber mit seiner musikalischen Sprache eine Sonderstellung innerhalb der Kompositionsgeschichte ein. Ihn kümmerten die stilistischen Entwicklungen des 20. Jahrhunderts wenig. Er orientierte sich an seinen Vorbildern Johann Sebastian Bach, Frédéric Chopin und Gabriel Fauré und schrieb in einem expressiven und lyrischen Stil. Dissonanzreibungen, rhythmische Verschiebungen und chromatische Tonreihen prägen zwar einige seiner Werke. In den Vordergrund stellte Samuel Barber jedoch immer die tonale Harmonik, der er ohne Kompromisse treu blieb. Er hatte eine Neigung für elegische, lang ausgebreitete melodische Bögen. Nur selten äußerte sich der Komponist zu seiner Musik, doch meinte er einmal, er fühle sich als eine „schattenhafte Figur aus einem anderen Zeitalter“. Weiter sagte er: „Man sagt, ich hätte überhaupt keinen Stil, doch das macht nichts. Ich werde meine Sache genau so weitermachen. Und dazu brauche ich, wie ich glaube, einen gewissen Mut.“

Weil Samuel Barber eine Ausbildung als Bariton hatte, konzipierte er seine Themen stets von einem vokalen Ausdruckswillen aus. Mit kontrapunktischen Mitteln und handwerklich auf höchstem Niveau verarbeitete er die melodischen Linien. Die Wesensart der Musik erinnert mitunter an Johannes Brahms, weshalb diese beiden Komponisten gerne miteinander in Verbindung gebracht wurden. Beide standen mit ihren kompromisslosen Kompositionsstilen außerhalb ihrer Zeit und wurden als konservativ abgekanzelt.

Schon die Werke seiner Studienzeit zeigen die Meisterschaft des Komponisten. Neben Symphonien entstanden auch Opern; ein Hauptaugenmerk galt dem Liedschaffen. Barbers neoromantische, lyrische und zugleich dramatische Musiksprache kam diesen Gattungen entgegen. Ein großer Verehrer des amerikanischen Komponisten war unter anderem Dietrich Fischer-Dieskau, der zahlreiche Lieder zur Uraufführung brachte. Bislang hat jedoch Samuel Barbers Lied- und Chorschaffen weniger Beachtung gefunden als seine Instrumentalmusik.

Zum Werk
Auf Vermittlung des legendären Kontrabassisten und Dirigenten Serge Koussevitzky kam Samuel Barber im Jahr 1945 mit der aus Russland stammenden Cellistin Raya Garbousova in Kontakt. In enger Zusammenarbeit mit der Interpretin entstand das Cellokonzert, das den Esprit der russisch sozialisierten Musikerin in sich trägt und höchst virtuos die unterschiedlichsten Klangregister des Cellos hervorkehrt. Nach der Fertigstellung schrieb Samuel Barbers Lebenspartner Gian Carlo Menotti: „Sam hat soeben ein Cellokonzert fertiggestellt, das dem Cellisten die Haare zu Berge stehen lässt.“

Großes war geplant mit diesem Auftragswerk, das Serge Koussevitzky mit dem Boston Symphony Orchestra und der Solistin im April 1946 präsentierte. Doch die Reaktionen blieben (vorerst) eher verhalten. Nach der Uraufführung überarbeitete Samuel Barber den virtuosen Finalsatz noch einmal, und die Cellistin Raya Garbousova verfeinerte ihre Interpretation immer weiter und setzte sich bis an ihr Lebensende als Botschafterin für das Cellokonzert ein.

Im Cellokonzert stellte Samuel Barber seine lyrische Ausdruckskraft zugunsten einer dringlich wirkenden, rhythmisch intensivierten Stilistik in den Hintergrund. So nimmt das Konzert mit zahlreichen theatralischen Kontrasten einen dramatischen Charakter an. Raya Garbousova merkte in einem Interview an, dass Samuel Barber in seinem Werk unter anderem die Musik der Native Americans anklingen lassen wollte. Gleich zu Beginn reißt das Orchester mehrere kurze Motive an, die später weiterentwickelt und ausgebreitet werden. Mit einer kurzen Solokadenz setzt das Cello ein, übernimmt sodann die Führung und formt die Themenfragmente aus. Drängend entwickelt sich der Satz hin zu einer virtuosen Kadenz. Das lyrische Andante sostenuto beruht auf einem wiegenden Siciliano-Rhythmus. Über einem sich wiederholenden Motiv im Bass wird das elegische Hauptthema entfaltet.

Dramatische Dialoge zwischen der Solostimme und dem Orchester bestimmen den Finalsatz. Teilweise wirken die Themenführungen rezitativisch und opernhaft. Das Werk endet zerklüftet und höchst virtuos.

Claude Debussy – La Mer
Trois esquisses symphoniques pour orchestre (1905)
(dt. Das Meer, drei symphonische Skizzen für Orchester)

Zwei Vorlieben prägten das künstlerische Schaffen des französischen Komponisten Claude Debussy (1862–1918) maßgeblich: Zum einen war er fasziniert vom Meer, vornehmlich vom Atlantischen Ozean. Zum anderen interessierte er sich sehr für asiatische Kunst. Beide Leidenschaften flossen in die dreisätzig angelegten symphonischen Skizzen La Mer ein.

Claude Debussy hat mit seiner kompositorischen Sprache die Musik des 20. Jahrhunderts maßgeblich mitgeprägt. Schon zu seinen Lebzeiten genoss er international ein hohes Ansehen. Aufgewachsen ist Claude Debussy in bescheidenen Verhältnissen. Er besuchte nie eine Schule; das Nötigste vermittelte ihm seine Mutter. Die Musik spielte im Elternhaus kaum eine Rolle. Der Vater hätte seinen Sohn gerne als Seemann gesehen. Oft und gerne fuhr das Kind zu seinem Taufpaten aufs Land. Dort wurde Nadeshda von Meck, die jahrzehntelang Peter I. Tschaikowsky finanziell unterstützt hatte, auf den Jugendlichen aufmerksam. Sie ermöglichte Claude Debussy ab dem zehnten Lebensjahr eine Ausbildung am Pariser Conservatoire und unternahm mehrere Reisen mit ihm. Als junger Künstler stand Claude Debussy ganz im Bann von Richard Wagner. Bald entwickelte er jedoch eine Hassliebe zu seinem übermächtigen Vorbild. Erst allmählich konnte er sich lösen und mit neuen Ideen eine individuelle kompositorische Sprache entwickeln.

Der Besuch der Pariser Weltausstellung im Jahr 1889 war für Claude Debussy ein Schlüsselerlebnis. Erstmals hörte er dort javanische Gamelanmusik. Die Wirkung der aus Bali stammenden Musik, die auf Metallophonen, Gongs, Trommeln und anderen Schlaginstrumenten gespielt wird, faszinierte den Künstler nachhaltig. Fortan entwickelte Debussy neue Skalenmodelle und rhythmische Muster, die die Taktmetren verschleiern und den Klangfluss in der Schwebe halten.

Privat durchlebte Claude Debussy oft turbulente Zeiten. Im Jahr 1905 trennte er sich von seiner ersten Frau. Auf Kosten seiner zweiten Partnerin, einer angesehenen Sängerin und Bankiersfrau, bezog er eine neue Wohnung. Kurze Zeit später wurde eine gemeinsame Tochter geboren. Ab 1910 wurde Claude Debussy von einer Schaffenskrise geplagt, die in einer kompositorischen Neuorientierung mündete. Der Erste Weltkrieg, finanzielle Sorgen sowie ein Darmkrebsleiden belasteten die letzten Lebensjahre des Komponisten schwer.

Zu Beginn der Arbeit an seinem Werk La Mer – im Jahr 1903 – schrieb Claude Debussy an seinen Freund André Messager, dass seine alte Liebe, das Meer, immer unschätzbar und schön sei, und führte weiter aus: „Sie wussten vielleicht nicht, dass ich für die schöne Laufbahn eines Seemanns ausersehen war, und dass nur die Zufälle des Daseins mich auf eine andere Bahn geführt haben.“

Nicht, wie man annehmen könnte, am Meer ist das groß besetzte Orchesterwerk entstanden, sondern weit abseits davon in der Bourgogne, in Zentralfrankreich. Die Intention des Komponisten war es, Erinnerungen an die Kindheit zu verarbeiten. Keine Klangmalerei wie eine reale, überwältigende Ansicht des Wassers sollte entstehen. Es sollte eine eher meditative Musik, eine Darstellung von subtilen Erinnerungen, Eindrücken, Stimmungen und Atmosphären erklingen. „Sie werden zu mir sagen, dass der Ozean nicht gerade die Rebhügel der Bourgogne bespült […], und dass die Sache wie eine Atelierlandschaft ausfallen könnte, aber ich habe zahlreiche Erinnerungen. Das taugt meiner Ansicht nach mehr als eine Wirklichkeit, deren Zauber im Allgemeinen zu schwer auf unseren Gedanken lastet“, schrieb Claude Debussy seinem Freund. Oft wurde La Mer mit der bildenden Kunst, speziell mit den Bildern des französischen Malers Claude Monet, in Beziehung gestellt. Der Reiseschriftsteller und Musikkritiker Camille Mauclair fasste die oft gesehenen Querverbindungen 1902 in Worte: „Die herrlichen Landschaften von Claude Monet sind nichts anderes als Symphonien aus Lichtwellen; und die Musik von Herrn Debussy, die nicht auf einer Folge von Motiven, sondern auf der jeweiligen Kraft der Klänge an sich basiert, kommt diesen Bildern besonders nahe; es ist ein Impressionismus aus Klangtupfern.“

La Mer ist für jedes Orchester ein Prüfstein, denn vielschichtig verwobene Klangfarbenspiele bringen die Musik zum Leuchten. Die Instrumentierung sei stürmisch und wechselhaft wie das Meer, schrieb der Komponist. Eigentlich könnte das Werk auch als dreisätzige Sinfonie betrachtet werden. Doch die musikalischen Linien werden nicht von melodisch-thematischen Überlegungen mitbestimmt. Raffiniert kombinierte und überlagerte Floskeln ergeben eine rhythmische Polyphonie, die weit in die kompositionstechnische Zukunft weist. Außerdem setzte Claude Debussy die Tonfortschreitungen mit einem neuartigen harmonischen Aufbau. Töne werden, ähnlich wie die Rhythmen, geschichtet. Damit erreicht er eine große Flexibilität und kann mit metrischen und abrupten dynamischen Wechseln die Klangoberflächen und den Untergrund plastisch ausformen.

All diese Errungenschaften wirkten auf das Publikum bei der Werkpräsentation fremd und eigenartig. Eine nur mäßige Interpretation bei der Uraufführung des Werkes trug darüber hinaus dazu bei, dass La Mer zunächst nicht auf Zustimmung stieß. Erst nachdem Claude Debussy 1908 seine symphonischen Skizzen selbst dirigiert hatte, kam die faszinierende Klangsprache zur Geltung.

Zum Werk
In den drei Skizzen beschreibt Debussy jeweils einen anderen Aspekt des Meeres, wie es bereits die Satzüberschriften andeuten. Der erste Satz, „Von der Morgendämmerung bis zum Mittag auf dem Meer“, zeigt mit flächigen Figuren sanfte Bewegungen und das Kräuseln des Wassers. Eine Arabeske entfaltet sich wellenförmig und bäumt sich am Ende auf.

Im zweiten Satz, „Spiel der Wellen“, werden Gischt und Wellengang musikalisch erfahrbar.

Der dritte Satz schildert einen Dialog zwischen Wind und Meer. Überlagerte Motive erzeugen eine leidenschaftliche Atmosphäre, spiegeln das Glitzern und Aufbäumen der Wellen sowie den aufbrausenden Wind. Als La Mer 1905 erschien, bestand Debussy darauf, dass Hokusais Holzschnitt Die große Welle vor Kanagawa die Titelseite der Partitur ziert.

Maurice Ravel
La Valse (Choreographische Dichtung für Orchester)

Maurice Ravel (1875–1937) wuchs in der südfranzösisch-baskischen Kleinstadt Ciboure auf, bevor er mit vierzehn Jahren ins Conservatoire in Paris eintrat. Großen Einfluss übten die Komponisten Emmanuel Chabrier und Erik Satie auf den jungen Ravel aus, der in der Kompositionsklasse von Gabriel Fauré unterrichtet wurde.

Ravel ist ein Meister der Verwandlung und der musikalischen Orchestrierung. Das Tonmaterial seiner Musik hat chamäleonartige Züge, es ist außerordentlich bildhaft und geformt aus einer großen Faszination für die körperliche Bewegung und den Tanz. Ravel, der sich von der Fremdheit und der Verkleidung verzaubern ließ und sich in einem märchenhaften Wechselspiel der Sinnlichkeit am wohlsten fühlte, schuf ein Klangideal, in das er volksliedhafte Elemente, Jazzphrasen und die Unterhaltungsmusik einbezog. Er liebte das Spiel mit unterschiedlichsten musikalischen Masken.

Auffällig ist, dass diese Masken fast ausschließlich aus vorromantischen Epochen und fremden Kulturen stammen. Aus seinen Werken spricht ein tiefes Unbehagen gegenüber der Kultur, in die er hineingeboren wurde. Deshalb führte ihn seine kompositorische Emigration weg von allem, was ihm zu nahestand. Fasziniert war er von der Volksmusik ländlicher Regionen, von der musikalischen Kunst in vorromantischen Epochen. Inspiriert wurde er von der Welt der Blumen und Vögel, fernen Ländern wie China oder Madagaskar, Spanien oder Griechenland. Am liebsten träumte er sich selbst in die Irrealität der Märchen- und Symbolwelt. Auf seiner Suche nach neuen musikalischen Wegen entdeckte er eine entfesselte Rhythmik, farbige Klangmalereien und eine glitzernde Instrumentationstechnik.

Sein berühmtes Werk La Valse beschäftigte den Komponisten über vierzehn Jahre. Bereits in einem Brief aus dem Jahr 1906 erzählt er, dass er einen Walzer plane, der eine Art Hommage an Johann Strauß sein solle. Bis 1914 sollte der Titel „Wien“ lauten. Im Laufe der Zeit änderten sich nicht nur der Titel, sondern auch die kompositorische Idee, denn es entstand eine „choreographische Dichtung“. Ravel sprach von einer „Apotheose des Wiener Walzers“, die „mit dem Eindruck eines fantastischen, fatalen Wirbels“ verknüpft sein soll.

Der berühmte Ballettchef Sergei Diaghilew hatte das Werk für sein Ballets Russes bestellt. Deshalb hatte der Komponist von Anfang an eine szenische Aufführung vor Augen, zu der er in der Partitur folgendes Bild entwarf: „Durch wirbelnde Wolken hindurch sind hier und da Walzer tanzende Paare erkennbar. Die Wolken verstreuen sich nach und nach und geben den Blick auf einen gewaltigen Saal frei, in dem sich eine Menschenmenge dreht. Allmählich wird die Bühne heller, bis im Fortissimo der volle Glanz der Kronleuchter erstrahlt. Ein Kaiserhof um das Jahr 1855.“

Nachdem die Komposition im April 1920 abgeschlossen war, brachten der Komponist und Marcelle Meyer dem Ballettchef die Fassung für zwei Klaviere zu Gehör. Anwesend waren auch Igor Strawinsky und Francis Poulenc. Dieser erinnert sich: „Als Ravel geendet hatte, sagte ihm Diaghilew: ‚Ravel, das ist ein Meisterwerk, aber das ist kein Ballett. Es ist das Gemälde eines Balletts.’ Strawinsky hingegen sagte zu meinem größten Erstaunen kein einziges Wort! Nichts! Es war für mein ganzes Leben eine Lektion in Bescheidenheit, dass Ravel ganz ruhig seine Noten nahm und hinausging, als ob nichts passiert wäre.“ Allerdings war Ravel von Diaghilews Ablehnung und Strawinskys Schweigen sehr gekränkt und brach den Kontakt zu beiden über Jahre hinweg ab. La Valse wurde zunächst konzertant uraufgeführt; erst 1929 realisierte Ida Rubinstein die Ballett-Premiere.

Zum Werk
La Valse besteht aus einer ununterbrochenen Reihe von Walzern; das Stück ist in zwei große Teile gegliedert. Im ersten Teil werden alle Melodien vorgestellt, im zweiten Teil wird kein neues musikalisches Material eingeführt, sondern in einer Art freier Reprise beginnt sich über die eleganten Walzer der „fatale Wirbel“ zu legen. Einzelne Themen erleben grundsätzliche Charakterwandlungen. Neben vielen fesselnden Details in der Orchestrierung treten die Harfe sowie eine kurze Passage im Schlagwerk besonders hervor. Die Streicherstimmen sind sehr dicht gesetzt; sie führen Glissandi über mehrere Takte. Die Wechsel zwischen dem Tutti und verschiedenen Instrumentengruppen schaffen farbenreiche orchestrale Expansionsräume.

Das Werk kulminiert auf einem Höhepunkt, der mit Schwellern und markant gesetzten Dreiklängen in den Trompeten, Violinen und Holzbläsern eingeleitet wird. Nach einem langen Orgelpunkt auf Ais wird die Auflösung zur Grundtonart hin buchstäblich bis zur letzten Note aufgeschoben. So entsteht eine imposant komponierte und orchestrierte Schlusspassage mit atemberaubender Spannung. La Valse wird von einigen Musikwissenschaftlern auch als apokalyptischer Totentanz verstanden, in dem Ravel seine Erfahrungen des Ersten Weltkriegs sowie den Schmerz über den Tod seiner Mutter verarbeitet hat. Vor allem die Coda mit den grellen Blechbläser-Glissandi und den Verschiebungen des Dreier-Metrums könnte als fratzenhaft verzerrter, mit politischen und gesellschaftskritischen Intentionen erfüllter Abgesang gedeutet werden.

MI, 11. März 2026

Valentin Silvestrov-Gala mit Hélène Grimaud
Kammerorchester des Symphonieorchesters des BR
Radoslaw Szulc – Leitung
Hélène Grimaud – Klavier

18.45 Uhr Konzerteinführung im Saal Bodensee
20.00 Uhr Großer Saal

Das gesamte Jahresprogramm 2025/2026 können Sie hier digital ansehen.

Valentin Silvestrov (*1937)
Hymne

Arvo Pärt (*1935)
Fratres für Violine und Klavier
Spiegel im Spiegel für Violine und Klavier

Valentin Silvestrov
Weitere Werke

Valentin Silvestrov
Bagatellen I, II und III, op. 1 für Klavier solo (2005)
Allegretto
Moderato „Lontano“
Moderato

Valentin Silvestrov
Der Bote für Orchester und Klavier (1996)

Valentin Silvestrov
Two Dialogues with Postscript,
Fassung für Streicher
und Klavier (2002)
Wedding Waltz
Postlude
Morning Serenade

Valentin Silvestrov
Musik, ein Gesang der Welt

Eine Weltpremiere in Bregenz: In enger Zusammenarbeit mit der Pianistin Hélène Grimaud, die eine intensive persönliche Beziehung zu Valentin Silvestrov pflegt, entstand ein Konzertprogramm von außergewöhnlicher Tiefe. Grimauds künstlerisches Einfühlungsvermögen eröffnet einen sensiblen Raum für die fragile Schönheit dieser Musik – ein Abend, der der Stille nachlauscht und in seiner Einzigartigkeit nur hier zu erleben ist.

Die Hymne (2001) von Valentin Silvestrov ist ein nobler Lobgesang, getragen von einer klaren, tonal-harmonischen Textur – umgeben von einem besonderen Schweigen. Dieses Schweigen, so Silvestrov, sei das „Schweigen der neuen Musik“: kein bloßes Fehlen von Klang, sondern ein Innehalten der Zeit, ein Raum der Erinnerung. Es erinnert an John Cages 4’33“, doch bei Silvestrov wird es zur tragenden Struktur, in der Melodie und Stille untrennbar miteinander verwoben sind.
Diese Haltung verbindet ihn eng mit Arvo Pärt, seinem langjährigen Freund. Beide Komponisten haben sich in den 1970er-Jahren bewusst von der Avantgarde abgewandt, um eine Musik zu schreiben, die von Einfachheit, Stille und spiritueller Tiefe geprägt ist. Ihre Werke gleichen inneren Gebeten – reduziert, fragil, aber voller Ausdruckskraft. Als Hommage an diese künstlerische und persönliche Nähe erklingen im ersten Teil des Abends zwei Werke von Arvo Pärt:

Fratres (1977), ein archaisch wirkendes Ritual zwischen Bewegung und Ruhe, ist ein vielgestaltiges Werk, das aus einem einzigen geistigen Impuls heraus immer neu Gestalt annimmt. In der Fassung für Violine und Klavier treffen rhythmische Rituale auf klangliche Askese – ein Wechselspiel von statischen Klangflächen und flirrender Energie. Wie bei Silvestrov ist der Klang bei Pärt kein dramatischer Ausdruck, sondern ein Zustand des Hörens, der kontemplative Räume öffnet. Beide Komponisten schaffen Musik, die eher fragt als antwortet – und genau darin ihre Kraft entfaltet.

Spiegel im Spiegel (1978), ein schwebendes Zwiegespräch aus Melodie und Echo, zählt zu den berührendsten Werken Arvo Pärts. Kaum ein anderes Stück entfaltet mit so einfachen Mitteln eine so große emotionale Tiefe. Die ruhige Bewegung, das meditative Wechselspiel zwischen der klaren, sich wiederholenden Klavierbegleitung und der gesanglichen Violinmelodie, erzeugen eine Atmosphäre von innerer Ruhe und Offenheit. Der Titel verweist auf ein unendliches Sich-Reflektieren – eine Musik, die gleichsam in sich selbst schaut. Das Gleichgewicht zwischen Einfachheit und Tiefe macht dieses Werk zu einem klingenden Sinnbild für das, was auch Silvestrovs Musik auszeichnet.

Valentin Silvestrov
Bagatellen I, II und III, op. 1 für Klavier solo

Eine Bagatelle bezeichnet im landläufige Sinn eine „Kleinigkeit“. In der Musik hat sie eine darüber hinaus reichende Bedeutung. „Obwohl von miniaturhafter Kürze und äußerlich als ‚Nebensächlichkeit‘ abgestempelt, sprechen sie eine ungewöhnliche musikalische Sprache und thematisieren existenziell wichtige Fragen“, definiert Barbara Boisits im Österreichischen Musiklexikon die Gattung. Seit Ludwig van Beethoven einige seiner Charakterstücke als „Bagatelle“ bezeichnet hat, wurden zahlreiche Komponisten bis in die Gegenwart von dieser kleinen musikalischen Form mit großer innerer Aussagekraft inspiriert. Seit etwa 25 Jahren komponiert Valentin Silvestrov Bagatellen. Die Idee, eine Melodie auszuformen und eine Antwort auf augenblicklich aufblitzende Motive zu finden begeistert ihn. Er habe erkannt, dass Bagatellen musikalische Momente seien, schreibt der Komponist. „Sie sind ähnlich wie Gedichte, die wie zufällig entstanden sind.“

Hélène Grimaud erlebt SilvestrovsBagatellen „wie ein Spaziergang durch einen Wald, bei dem das Licht durch die Zweige scheint.“ Trotz der vermeintlichen Einfachheit sind die Bagatellen I, II und III äußerst diffizil ausgearbeitete Miniaturen. Jede Note ist in ihrer Lautstärkenuancierung und im Hinblick auf die ständig wechselnden Tempi genau definiert. Überdies sollen die Klavierwerke mit größter Zurückhaltung erklingen, der Lautstärkenpegel soll nie über das Piano hinausgehen. Die Bagatellen wirken leichtfüßig, lyrisch und kontemplativ. Klanglich sind sie in den oberen Tonlagen angesiedelt. Die Bagatelle I schrieb der Komponist in einer er weiterten Tonalität und erreichte damit besondere
harmonische Farben. Die Bagatelle II ist in einer Strophenform angelegt und erinnert mit der punktierten melodischen Linie an ein Volkslied. Einen tänzerischen Charakter, der durch den 3/8-Takt unterstrichen wird, hat Bagatelle III. Sie ist in einer variierten Strophenform angelegt. Kleine Beschleunigungen und Verzögerungen des Tempos und der Nachhall der Töne verleihen diesem Stück einen improvisatorischen Touch.

Valentin Silvestrov
„Der Bote“ für Streicher und Klavier (1996),
Two Dialogues with Postscript,
Fassung für Streicher und Klavier (2002)

Valentin Silvestrovs Werke Der Bote (1996) für Streicher und Klavier sowie die Two Dialogues with Postscript (1989/1995) in der Fassung für Streicher und Klavier stehen exemplarisch für sein spätes Schaffen, das durch dialogische Formen und das Wechselspiel zwischen Klangkörpern geprägt ist. Der Bote spiegelt verschiedene musikalische Stile der Vergangenheit wider, insbesondere Verweise auf Mozart, und entfaltet durch subtile Gesten, Akzentuierungen und ungewöhnliche motivische Kombinationen eine durchscheinende Klangwelt. Die Streicher setzen mit gedämpftem, silbern schimmerndem Klang ein, während der Klavierpart mit intensivem Pedaleinsatz eine ätherische Atmosphäre erzeugt, die wie ein Windrauschen beginnt und in Stille verklingt.

Die Two Dialogues with Postscript führen diese Verbindung zur Musikgeschichte fort: Der erste Abschnitt bezieht sich auf Schuberts Kupelwieser-Walzer, der zweite auf Wagners Klavierelegie. Silvestrov versteht diese „festgehaltenen Augenblicke“ als Versuche, in einen offenen Dialog mit der Vergangenheit zu treten und musikalische Geschichte fortzuschreiben. Beide Werke illustrieren Silvestrovs „metaphorischen Stil“, in dem Zeit als flexibler, mehrdimensionaler Raum gestaltet wird und Klangfarben eine zentrale expressive Rolle spielen.

Diese dialogischen und atmosphärischen Qualitäten setzen sich in den Miniaturen Wedding Waltz (1983), Postlude (1982) und Morning Serenade (1984) fort, die das Spannungsfeld von Erinnerung, Zeit und Klang erforschen. Der Wedding Waltz transformiert die traditionelle Dreiviertelform des Walzers in ein entrücktes, fast schwebendes Geschehen, das durch subtile Metrum- und Rhythmusverschiebungen eine zeitlose Aura erzeugt. Harmonisch dominieren unresolved Dissonanzen und Akkorde, die in Schwebezuständen verharren, wodurch eine „Zeitverlangsamung“ entsteht, wie Silvestrov sie selbst beschreibt.

Der Postlude nutzt eine reduzierte Textur mit gedehnten Tönen und sparsamen Intervallen, die einen offenen, durchlässigen Klangraum schaffen. Die Verschmelzung von Klangschichten und der bewusste Umgang mit Stille als klanglichem Element reflektieren Silvestrovs Konzept von Musik als existenziellem Resonanzraum. In der Morning Serenade verbinden sich traditionelle Serenadenmotive mit expressiver, zeitgenössischer Harmonik. Fließende Melodielinien und subtile tonale Verschiebungen erzeugen schwebende Harmonien, die Romantik, Minimalismus und Impressionismus vereinen. Hier manifestiert sich Silvestrovs Idee von Musik als „Gesang der Welt über sich selbst“, in der Vergangenheit und Gegenwart durchdringen.

Gemeinsam bieten diese fünf Werke einen tiefen Einblick in Silvestrovs kompositorisches Universum: Sein Umgang mit Zeit als nichtlinearer, mehrdimensionaler Raum, seine poetische Melodieführung sowie das raffiniert eingesetzte Spiel mit Klangfarben und Formen formen ein einzigartiges, meditativen Musikerlebnis.

SA, 18. April 2026

Duo-Rezital
Lisa Batiashvili – Violine
Giorgi Gigashvili – Klavier

18.45 Uhr Konzerteinführung im Saal Bodensee
19.30 Uhr Großer Saal

Das gesamte Jahresprogramm 2025/2026 können Sie hier digital ansehen.

Ludwig van Beethoven (1770 – 1827)
Sonate für Klavier und Violine Nr. 3 Es-Dur, op. 12 Nr. 3
1. Allegro con spirito
2. Adagio con molta espressione
3. Rondo: Allegro molto

Béla Bartók (1881 – 1945)
Sonate für Violine und Klavier Nr. 1, Sz 75
1. Allegro appassionato
2. Adagio
3. Allegro

Josef Bardanashvili (*1948)
Neues Werk für Violine und Klavier

César Franck (1822 – 1890)
Sonate für Violine und Klavier A-Dur, FWV 8
1. Allegretto ben moderato
2. Allegro
3. Recitativo – Fantasia
4. Allegretto poco mosso

Ludwig van Beethoven
Sonate für Klavier und Violine Nr. 3 Es-Dur, op. 12 Nr. 3

Wie die Sonaten von Mozart heißen auch die frühen Duosonaten von Beethoven noch ausdrücklich „für Klavier und Violine“, was den hohen Anspruch des Klavierparts erklärt. Doch ist die Balance zwischen den beiden Instrumenten schon in den 1798/99 entstandenen ersten drei Sonaten op. 12 sehr weit fortgeschritten. Mozarts Sonaten waren Vorbild; Beethoven greift ihre Form in seinen meist dreisätzigen Sonaten auf, führt sie jedoch von Anfang an in seiner impulsiven Handschrift weiter. Beethoven war mit den Sonaten Mozarts vertraut: Obwohl seine Fertigkeiten auf der Violine nicht so brillant waren wie im Klavierspiel – das sehr virtuos gewesen sein muss –, studierte er sie während seiner Zeit in Bonn.

Die raschen Außensätze der heute Abend erklingenden Es-Dur-Sonate op. 12/3 stehen in ihren Läufen und Figurationen den Sonaten des Salzburger Meisters sehr nahe. Von Anfang an bestimmt ein feiner Dialog von führenden und begleitenden Stimmen das Geschehen. In Beethovens Wanderungen durch die Tonarten, in den kraftvollen Akkorden und sparsam gesetzten Eintrübungen weht freilich auch ein neuer Geist. Eine Art Gesangsszene vor Beginn der Reprise lässt außerdem aufhorchen.

Ungemein ausdrucksstark ist der langsame Mittelsatz, wenn sich der Pianist zunächst mit einer weit gespannten Melodie über die Begleitakkorde der linken Hand erhebt und sich dann die Violinstimme über der markanten Bassfigur des Klaviers verströmt. Wir folgen der sanften Ausweitung der Harmonik, die in einzelnen sforzato-Akzenten vertieft wird, dem Aufbauen und Lösen und den wechselnden Farben, die an die zur gleichen Zeit entstandene Klaviersonate op. 13 „Pathétique“ erinnern. Spielfreudig und musikantisch ist der Finalsatz, ein Rondo, dessen Kontratanz-Thema nach manchmal kühnen und trotzigen Modulationen immer neu aufgegriffen wird und dessen sprudelnde Energie nie nachzulassen scheint. Die Lust an Ausflügen in andere Tonarten bereitete dem Rezensenten der Leipziger Allgemeinen Musikalischen Zeitung am 5. Juni 1799 übrigens merklich Mühe:

„Es ist unleugbar, Herr van Beethoven geht einen eigenen Gang; aber was ist das für ein bizarrer, mühseliger Gang! Gelehrt, gelehrt und immerfort gelehrt und keine Natur, kein Gesang! Ja, wenn man es genau nimmt, so ist auch nur gelehrte Masse da, ohne gute Methode; eine Sträubigkeit, für die man wenig Interesse fühlt; ein Suchen nach selt’ner Modulation, ein Ekelthun gegen gewöhnliche Verbindung, ein Anhäufen von Schwierigkeit auf Schwierigkeit, dass man alle Geduld und Freude dabey verliert.“

In unseren Ohren klingen Beethovens manchmal abrupte Wendungen heute natürlich längst vertraut in ihrem vorwärts drängenden Duktus – doch durchaus auch überraschend.

Béla Bartók
Sonate für Violine und Klavier Nr. 1, Sz 75

Im Leben und Schaffen des ungarischen Komponisten Béla Bartók (1881–1945) spielte die Volksmusik seiner Heimat und die anderer Länder eine große Rolle. Als Musikethnologe bereiste er gemeinsam mit seinem Kollegen Zoltán Kodály die Balkanländer; die Volksmusikmelodien sind im Original oder stilisiert in Bearbeitungen in seine Werke eingegangen.

Im zarten Alter von fünf Jahren erhielt Béla Bartók den ersten Klavierunterricht von seiner Mutter, auch Kompositionen entstanden bereits früh. Von 1899 bis 1904 studierte er an der Budapester Musikakademie Komposition und Klavier, dabei führte er als Konzertpianist oft eigene Werke auf. Später unterrichtete er selbst an dieser Hochschule. In großer Verbundenheit zu seiner ungarischen Heimat begann er, die echten Volkslieder der Bauern zu sammeln und aufzuzeichnen, und dehnte seine Reisen auch in andere südosteuropäische Länder aus. Volksliedmelodien und Rhythmen sind in viele seiner Werke eingeflossen und verbinden sich mit den neuen Kompositionstechniken seiner Zeit zu einem ganz persönlichen Stil.

Bartók hinterließ viele Werke für Klavier und schuf die mehrbändige Klavierschule Mikrokosmos, die auch heute noch viele Schüler begleitet. Von großer Bedeutung sind auch seine sechs Streichquartette, das Konzert für Orchester oder die Oper Herzog Blaubarts Burg. Im Jahre 1940 zwangen ihn die politischen Umstände in Ungarn zur Auswanderung nach Amerika. Hier entstanden noch das dritte Klavierkonzert und die dem Geiger Yehudi Menuhin gewidmete Sonate für Violine solo, die Bartóks letztes vollendetes Werk ist. Der Komponist starb im amerikanischen Exil in New York an Leukämie. Er ist nicht nur der bedeutendste ungarische Komponist, sondern im Farbenreichtum seiner Werke auch wegweisend für die Musik des 20. Jahrhunderts – obwohl manche seiner Stücke von vielen als sehr aggressiv und schwierig empfunden werden.

Seine beiden Violinsonaten komponierte Bartók Anfang der 1920er-Jahre in einer für ihn schwierigen politischen Situation. Recht kompliziert wirkt mindestens auch der erste Satz der ersten Sonate: Die volksmusikantischen Elemente werden überlagert durch einen zerrissen wirkenden Gestus und zerklüftete Akkorde. Zu Beginn erinnern die Klavierfiguren an ein Zymbal, darüber schwingt sich die Violine mit einer hochexpressiven Linie auf. Zwar legt Bartók eine Sonatenform zugrunde, doch ist sie nur schwer erkennbar. Man wird gefangen von der brodelnden Intensität und der rhythmischen Spannung, die von den akzentuierten Klavierakkorden ausgeht. Dazu kontrastieren klangfarbenreiche Episoden, die an Debussy erinnern und auch gläsern-unwirklich klingen können.

Wie ein feines Gespinst wirkt die Violinstimme im langsamen Satz, sie ist manchmal ganz solistisch oder nur sparsam begleitet. Theodor W. Adorno schrieb über dieses Adagio:

„Die Geige trägt ein lang ausgesponnenes Thema solo vor, das allein genügen sollte, die Behauptung melodischer Impotenz nicht-tonaler Musik Lügen zu strafen…“ Die unwirkliche, friedvolle Stimmung wird freilich von einem wild ausbrechenden, mit rhythmischen Schlägen und die hohen und tiefen Register der Instrumente ausreizenden Finale abgelöst. Wieder sei Adorno zitiert:

„Der dritte Satz ist Rondo capriccioso und Csárdás zugleich, ganz einfach gefügt, merklich nach cis-Moll auslugend, hat er große thematische Prägnanz und synkopischen Reiz.“

Der Satz mag zwar „einfach gefügt“ sein – die Ausführenden aber haben viel zu tun! Bartók komponierte die beiden Sonaten (die zweite ist kürzer und nur zweisätzig) für die Geigerin Jelly d’Arányi, die eine Großnichte des Geigers Joseph Joachim war und mit der der Komponist in Budapest studiert hatte.

Die Uraufführung fand in Wien statt (mit der Geigerin Mary Dickenson-Auner und dem Pianisten Eduard Steuermann). Jelly d’Arányi und Bartók musizierten die Pariser Erstaufführung der Sonate im Rahmen eines festlichen Abendessens im Beisein von Honegger, Milhaud, Ravel, Szymanowski und Strawinsky – führenden Komponisten der Zeit.

Der Mäzen und Kammermusikliebhaber Walter Wilson Cobbett nannte die Sonaten „ungarische Festungen des Klangs“, die nicht für Kammermusikliebhaber, sondern nur für Violinvirtuosen einnehmbar seien – und zwar auch nur für solche, „die ihre Ohren an die Klänge bodenständiger ungarischer Volkslieder gewöhnt haben.“

Josef Bardanashvili
Neues Werk für Violine und Klavier

Der Verlag für Neue Musik Berlin schreibt über seinen Komponisten: Josef Bardanashvili wurde 1948 in Batumi, Georgien, geboren. Er studierte an der Musikakademie in Tiflis bei Aleksandr Shaverzashvili; er schloss sein Studium mit einem Doktortitel in Komposition im Jahr 1976 ab. Bardanashvili war Direktor der Musikhochschule in Batumi (1986 – 1991) und Vize-Minister für Kultur in Adscharien (1993–1994); in dieser Eigenschaft organisierte er zahlreiche internationale Musikfestivals. Im Jahr 1995 zog er nach Israel. Bardanashvili war von 1996 bis 1999 Composer-in-Residence des Raanana Symfonette Orchestra in Israel und Musikdirektor der Internationalen Biennale für Neue Musik „Tempus Fugit“ in Tel Aviv (2002, 2004, 2006). Zurzeit ist er Composer-in-Residence der Israel Camerata Jerusalem. Er lehrte am Camera Obscura College, an der Bar-Ilan-Universität und am Sapir Academic College. Derzeit ist er Mitglied der Fakultät der Hochschule für Musik an der Universität Tel Aviv und der Jerusalem Academy of Music and Dance. Bardanashvili war von 1999 bis 2010 Mitglied des Öffentlichkeitsrates des Ministeriums für Kultur und Kunst in Israel.

Bei Wikipedia ist zu lesen: Josef Bardanashvili komponierte mehr als 100 Werke. Er schrieb Opern und Ballette, darunter eine der ersten georgischen Rock-Opern Alternative (1976) und das Rock-Ballett Tutor (1982), außerdem Orchestermusik wie etwa Sinfonien, sinfonische Dichtungen und Konzerte für Soloinstrumente wie Streicher, Gitarre, Flöte, Mandoline, Klavier oder Klarinette. Hinzu kommen Kammermusik und Vokalwerke sowie Musik für zahlreiche Theaterproduktionen und Filme. Beeinflusst wurde seine Musiksprache von der Polystilistik Alfred Schnittkes und vom Werk seines Landsmanns Gija Kantscheli.

In seinen Kompositionen versucht Bardanashvili eine Synthese der georgischen und jüdischen Kulturen. Er verwendet zeitgenössische Kompositionsmethoden, allerdings in einer freien, undogmatischen Weise. Als Inspiration dienen ihm unterschiedliche literarische Quellen, u. a. die jüdische Poesie des Mittelalters und Texte von Mark Aurel bis Michelangelo. Seine Werke entstanden für verschiedenste Interpreten, Orchester und Dirigenten – und man darf gespannt sein, wie er die Violine von Lisa Batiashvili zum Leuchten und Singen bringt!

César Franck
Sonate für Violine und Klavier, A-Dur FWV 8

César Franck wurde 1822 als Sohn deutscher Eltern in Lüttich (Belgien) geboren und trat gemeinsam mit seinem Geige spielenden Bruder als musikalisches Wunderkind am Klavier auf. 1835 zog die Familie nach Paris, wo César zunächst ein Jahr lang Privatunterricht bei Anton Reicha in Komposition, Kontrapunkt und Fuge nahm, bevor er am Pariser Conservatoire studierte.

Gegen den Willen seines Vaters gab er die Virtuosenlaufbahn auf und wirkte als Lehrer und Organist. 1858 wurde er Kantor und Organist an der Kirche Ste. Clothilde in Paris, eine Stelle, die er bis zu seinem Tod innehatte. Zahlreiche kirchenmusikalische Werke entstanden an der großen Orgel dieser Kirche. 1872 trat er die Nachfolge seines Orgelprofessors am Konservatorium an, wo er eine ganze Generation von Organisten und Komponisten wie Vincent d’Indy oder Louis Vierne ausbildete. Gemeinsam mit Camille Saint-Saëns gründete er 1871 die „Société Nationale de Musique“, die sich für die Aufführungen der Werke junger französischer Komponisten einsetzte – natürlich auch für die eigenen: So wurden die Symphonischen Variationen für Klavier und Orchester, die bekannte d-moll-Symphonie, die Violinsonate und das Klavierquintett erstmals im Rahmen der Konzerte der Société Nationale vorgestellt. Anerkennung als Komponist fand Franck erst mit diesen seinen späteren Werken. In seiner Vermittlerposition zwischen den Komponisten der klassisch-romantischen Perioden in Deutschland und dem Klangfarbenreichtum in der Musik des ausgehenden 19. Jahrhunderts in Frankreich hatte César Franck eine nachhaltige Wirkung auf die französische Musikgeschichte. Die Violinsonate (die es auch in einer Bearbeitung für Violoncello gibt) komponierte Franck im Jahr 1886 im Alter von 63 Jahren und schenkte sie dem berühmten belgischen Geiger Eugène Ysaÿe zur Hochzeit – dieser brachte sie auch am 31. Dezember 1887 im Rahmen der Société Nationale de Musique zur Uraufführung. Wie tastend, fragend hebt das Spiel der Instrumente im ersten Satz an: Zögernd eingeleitet vom Klavier, schwingt sich die Violine zu ihrem großen ersten Thema auf, das sich als „idée fixe“, eine Art Leitmotiv, natürlich auch verwandelt, durch alle vier Sätze ziehen wird. Die Antwort des Klaviers ist zunächst bewegter, aufgewühlter, was den Charakter des Dialogs verändert und bestimmter macht. In weiten Bögen bewegt sich der aufgewühlte zweite Satz: Leidenschaftlich in der hochromantischen Tonsprache, mündet diese Bewegung in einen lyrischen zweiten Teil und einen versunken entrückten dritten Abschnitt, um dann umso mitreißender die emotionale Fülle des Beginns wieder aufzunehmen.

Im dritten Satz halten die Musiker gleichsam Rückschau auf das in den vergangenen Sätzen Gehörte, lassen sich aber auch in der „Fantasia“ von neuen Gedanken davontragen, schwermütig, sinnlich und ganz dem Ausdruck hingegeben.

Der letzte Satz beginnt mit einem Kanon, dessen Thema wiederum aus den bisherigen Themen herausgebildet und zusammengefasst wird: Ausdrucksstark, leidenschaftlich, dabei ungemein gesanglich und groß ausschwingend krönt dieser Satz die ganze Sonate. Das Konzert bei der Uraufführung hatte um drei Uhr nachmittags des Silvestertags 1887 in einem der Säle des Musée Moderne de Peinture in Brüssel begonnen. Aus Angst, die Gemälde könnten beschädigt werden, erlaubte die Verwaltung keine Verwendung von Kerzen oder Gaslampen, und als das Nachmittagslicht allmählich nachließ, wurde es für die Ausführenden immer schwieriger, die Noten zu lesen. Mit dem beherzten Schlachtruf „Allons!“ spornte Ysaÿe seine Klavierpartnerin Léontine Marie Bordes-Pène dazu an, immer schneller und zunehmend aus dem Gedächtnis zu spielen – die Leidenschaftlichkeit der Sonate wurde dadurch sicher noch gesteigert!

FR, 8. Mai 2026

Zusatzprogramm
Klangbilder. Die Orgel im Fokus.
Jeremy Joseph – Organist

18.30 Pfarrkirche St. Gallus, Bregenz

Das gesamte Jahresprogramm 2025/2026 können Sie hier digital ansehen.

Georg Muffat (1653 – 1704)
Toccata duodecima

Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)
Schmücke dich, o liebe Seele, BWV 654
(Achtzehn Choräle von verschiedener Art)
Präludium und Fuge in G-Dur, BWV 541

Wolfgang Amadeus Mozart (1756 – 1791)
Andante in F-Dur Kv. 616
Fantasie in f -Moll Kv. 608

Johannes Brahms (1833 – 1897)
Aus den Elf Choralvorspielen op. posth. 122:
Schmücke dich, o liebe Seele
Herzlich tut mich verlangen

Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809 – 1847)
Sonata No.1 in f-Moll, Op. 65/1

Wir danken der Pfarre St. Gallus ganz herzlich
für die Unterstützung und Zusammenarbeit
bei diesem Konzert.

Begleitprogramm im Rahmen der Bregenzer
Meisterkonzerte, außerhalb des Abos.

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